MM vom 05.01.2007 - Haar: Einer ist noch flüchtig Forensik-Burg nicht ausbruchsicher
MM vom 13.09.2006 - München: Geiselnehmer aus BKH vor Gericht Pfleger als Geisel mitgeschleppt
MM vom 23.05.2006 - Straubing Mehr Platz für psychisch kranke... weltweit eine der größten Einrichtungen mit 236 Betten
MM vom 23.03.2006 - Haar: Messer liegen auf der Station nicht.. Geiselnahme: Belohnung für Hinweise
MM vom 23.11.2005 - München: Forensik aus einer Hand Kosten verdreifacht - kommt die Privatisierung?
MM vom 30.06.2005 - München: Bezirk kämpft um psychisch kranke .. Verbandsversammlung
SZ vom 10.05.2005 - Haar: Bau der Forensik zeigt neuen Weg auf Grundsteinlegung im BKH-Haar
MM vom 10.05.2005 - Haar: Mehr Plätze für psychisch kranke ... Straftäter
MM vom 29.03.2005 - Haar: Flucht aus Klinik: Patienten .... Ausbruch aus BKH-Haar
MM vom 25.01.2005 - München: *Freistaat droht den Bezirken ... sparen oder auflösen?
SZ vom 27.07.2004 - Haar: Regionalisierung der Psychiatrie ... neuer Forensikstandort erst in 10 Jahren?
DA vom 12.05.2004 - Erding: *Landräte packen die juristische .... und verklagen den Bezirk wegen Umlage
SZ vom 31.01.2004 - Erding: *Protest gegen Erhöhung der Bezirks.. MdL Schwimmer schimpft
MM vom 26.01.2004 - München: *Landrat kritisiert Bezirksetat .....
SZ vom 21.01.2004 - Erding: *Oberbayerische Kreise schlagen Alarm
MM vom 18.12.2003 - Haar: Bezirk zeigt sich kooperativ Forensikneubau kommt, Patientenzahl soll nicht steigen
MM vom 12.12.2003 - München: *Der Papst, der in Seelen liest Sie nennen ihn den "Papst der Forensik"
MM vom 30.10.2003 - München: *Kein Verständnis für Attacke Präsident nimmt zu Vorwurf Stellung
MM vom 29.10.2003 - München: *Bezirkstagschef "bricht sein Wort"
SZ vom 29.10.2003 - Erding: *Versorgung psychisch Kranker bedroht sollen denn Einweisungen in die BKH steigen?
SZ vom 23.10.2003 - Haar: *Polizei nimmt zwei flüchtige Straftäter fest
MM vom 21.10.2003 - München: *Leitender Beamter stolpert über Nebenjob
MM vom 17.10.2003 - München: Franz Jungwirth in seinem Amt bestätigt
SZ vom 15.10.2003 - München: *Prozess um Honorar vom Bezirk
MM vom 14.10.2003 - Bayern: *Leitender Beamter verdiente am Bezirk
MM vom 02.10.2003 - Haar: Ein Zeichen an das Sozialministerium Überplanung des 86 Hektar Bezirksgeländes
MM vom 25.09.2003 - Freising:*Pointner macht Bezirks-Karriere FW-Landrat aus FS drin, Großkopf raus
MM vom 16.09.2003 - Haar: Zuviele Straftäter in der Psychiatrie Präsident: Forensik an JVA´s angliedern
MM vom 08.09.2003 - Haar: *Jugendstilhaus strahlt in neuem Glanz Investition zur Imageverbesserung für Haar
MM vom 02.09.2003 - Bayern: *Zwei Verbrecher aus Mainkofen ... und am 23.8. Verbrecher nicht ins BKH Regensburg...
MM vom 27.08.2003 - Haar: *Gefangen hinter dem eigenen Ich Besuch in der forensischen Psychiatrie
SZ vom 25.08.2003 - Freising:*Fahrlässige Thesen kritisierte Landrat Pointner die Bezirke?
MM vom 19.08.2003 - Bayern: *Serientäter (14) flieht aus Klinik
MM vom 18.08.2003 - Bayern: *Gefährliche Insassen auf der Flucht
SZ vom 18.08.2003 - Haar: *Straftäter flieht mit Fahrrad aus BKH
SZ vom 14.08.2003 - Haar: *Steiler Sturz von... Landrat Janik zu Haushaltsprobleme, die Abschaffung der Bezirke..
SZ vom 24.07.2003 - Haar: Gemeinde verweist auf ihre Planungshoheit
SZ vom 24.07.2003 - Haar: Bau ohne Gefängnismauer
SZ vom 11.07.2003 - Haar: Schwere Bedenken gegen erste Baupläne
MM vom 03.07.2003 - Haar: Trotz Neubaus nicht mehr Forensik-Patienten
MM vom 02.07.2003 - Haar: Hautnaher Kontakt mit Problemen in der Forensik
SZ vom 02.07.2003 - Haar: Bezirkstagspräsident Jungwirth will Bettenzahl an anderen Standorten erhöhen
MM vom 11.02.2003 - Gauting: *Nervenklinik braucht mehr Betten - Neue Ideen und Anregungen?
MM vom 31.01.2003 - Haar: Gewerbe wird mit Wohnen verknüpft
MM vom 09.12.2002 - Bayern: *Mauerblümchen-Dasein trotz Reformdebatte - Nach "Lustreisen-Affären" mahnen Experten an
MM vom 29.11.2002 - Haar: Gemeinde nimmt Bezirk in die Pflicht
* = indirekter Zusammenhang mit der Forensik
MM vom 05.01.2007:
Einer ist noch flüchtig - VON JOHANNES DANNER
Ausbrecher aus Haar verirren sich selten nach Vaterstetten
Vaterstetten/Haar - Ein verspätetes Weihnachtsgeschenk wollten sich vier suchtkranke Kriminelle am Silvesterabend machen. Die Männer, die im Hochsicherheitstrakt der Forensik des Bezirkskrankenhauses Haar (neuerdings Isar-Amper-Klinikum) einsitzen, hatten sich zum Jahreswechsel Gardinenwechsel verordnet - und brachen aus.
Die "schweren Jungs" hatten die Rechnung allerdings ohne einen aufmerksamen Pfleger gemacht, der den Ausbruch bemerkte. Drei sitzen wieder - allerdings nicht mehr in Haar - einer ist noch flüchtig.
Trotz sechs Meter hoher Mauern ist die "Burg", wie die Forensik im Volksmund genannt wird, nicht absolut ausbruchsicher. Haben die "schweren Jungs" einmal diese Hürde genommen, stellen sie eine Gefahr für die Bevölkerung dar - auch die Bewohner von Vaterstetten und Grasbrunn.
Rudolf Hochhard, Leiter der Polizeiinspektion Poing und damit auch zuständig für den Bereich Baldham, Vaterstetten und Zorneding, ist nicht ganz so pessimistisch. "Mit Haar haben wir relativ wenig zu tun," erklärte der Erste Polizeihauptkommisssar gegenüber unserer Zeitung. Sollte es wirklich zu einem Ausbruch aus der "Burg" kommen, gehe eine Fahndung des Polizeipräsidiums München raus - auch an die PI Poing und die Autobahnpolizeistation (APS) Hohenbrunn. Diese Dienststelle nehme bei Haar-Flüchtlingen eine besonders wichtige Rolle ein, da die APS seit kurzem für die Vaterstettener Autobahnrastanlagen (Ost und West) zuständig ist. "Ausbrecher, die dort einmal angekommen sind, haben gute Chancen, einen Fluchtwagen oder Autofahrer zu finden, der sie mitnimmt," weiß Hochhard aus Erfahrung.
Doch die Autobahn habe auch ihre Vorteile - gerade für die Vaterstettener und Grasbrunner Bürger. Die A 99 sei ebenso wie der an Eglfing angrenzende Wald eine natürliche Barriere, die von Ausbrechern erst einmal überwunden werden müsse. Hochhard: "Deshalb kommt es äußerst selten vor, dass ein Haar-Ausbrecher bis nach Baldham oder Vaterstetten vordringt."
Im Herbst 2007 zieht die Forensik in ein neues Gebäude. Die Erkenntnisse, die man aus der Silvesternacht 2006/2007 gewonnen hat, sollen beim Sicherheitskonzept der Neubaus berücksichtigt werden.
MM vom 13.09.2006:
Geiselnehmer aus BKH vor Gericht
Seit seiner Flucht: Küchenmesser auf Station stumpf und gesichert
Haar - Eigentlich hatte der Pfleger (33) im Bezirkskrankenhaus Haar ein gutes Verhältnis zu seinem "Bezugspatienten" aufgebaut. Als der 29-Jährige ihn heuer an einem Märzabend zu einem Einzelgespräch bat, vermutete der Pfleger, dass den Mann wieder eine seiner inneren Spannungen plagte. Die beiden waren kaum im Behandlungszimmer, da zückte der Mazedonier ein 30 Zentimeter langes Küchenmesser und zwang den Pfleger, ihm die Türen zur Flucht zu öffnen. Seit gestern wird ihm vor dem Landgericht München I der Prozess wegen Geiselnahme gemacht. Bis zur S-Bahnstation Haar hatte der Angeklagte seine Geisel mitgeschleppt. Passanten und eine vorbeifahrende Polizeistreife bemerkten nichts. Als die beiden Männer in dunkles Gelände gerieten, überkamen den Pfleger Todesängste. Doch an der S-Bahnstation ließ der Täter seine Geisel frei. Drei Tage später wurde der 29-Jährige in München gefasst.
Jeder Zuhörer im Gerichtssaal fragte sich, wie der als gewalttätig geltende Mann an ein so langes Messer kommen konnte. Offenbar war es auf seiner Station so üblich, dass die Drogensüchtigen nach einer Entziehungskur wieder an den normalen Alltag gewöhnt werden sollten. Und dazu gehörte auch, sich selbst Mahlzeiten zubereiten zu dürfen. Mittlerweile sind sämtliche Küchenmesser auf der Station gesichert, stumpf und kürzer.
Unter dem Vorwand, sich Essen zu kochen, hatte der Angeklagte um das Messer gebeten. Tatsächlich wollte er nur ausbrechen. Seine Freundin hatte ihn angerufen und nur geweint. Er wollte sie sehen. Dabei hatte er sie Jahre zuvor so schwer misshandelt, dass er zu einer sechsjährigen Haftstrafe mit Entziehungstherapie verurteilt worden war. Kaum in Haar angetroffen, soll sie wieder um seine Gunst gebettelt haben. Schließlich besuchte sie ihn regelmäßig.
Seine Geiselnahme und die Flucht begründete er mit einer nicht zu bremsenden Unruhe. Die hatte ihn angeblich schon öfter befallen. Er reagierte unterschiedlich darauf - mehrfach sogar mit Suizidversuchen. Nach der erneuten Festnahme hatte er während des Mittagessens ein Messer geschluckt und musste operiert werden. Zuvor hatte er versucht, sich zu erhängen. Der Prozess dauert an.
Angela Walser
MM vom 23.05.2006
Mehr Platz für
psychisch kranke Straftäter
Ausbau der Forensik in
Straubing beginnt
Straubing (lby) - Am
Straubinger Bezirkskrankenhaus ist mit der Errichtung eines weiteren Anbaus
begonnen worden. Die forensische Fachklinik wird nach Angaben des Bezirks
Niederbayern künftig eine der weltweit größten geschlossenen Einrichtungen für
psychisch kranke Straftäter sein.
Mit dem Ausbau wird auf den stark gestiegenen Bedarf für Patientenplätze im
Maßregelvollzug reagiert. Nach Angaben des bayerischen Sozialministeriums hat
sich in den vergangenen zehn Jahren im Freistaat die Zahl der untergebrachten
Männer und Frauen auf rund 2070 mehr als verdoppelt. Insgesamt gebe Bayern knapp
200 Millionen Euro pro Jahr für den Maßregelvollzug aus, dies seien nahezu zehn
Prozent des gesamten Sozialetats.
In Straubing sollen in den kommenden beiden Jahren Stationen für 60 weitere
Patienten gebaut werden, in Zukunft wird das Krankenhaus dann 236 Betten
haben. Zudem wird ein Gebäude für die Arbeitstherapie errichtet, wo die
Patienten für einen Job außerhalb der Anstalt fit gemacht werden sollen.
Insgesamt investiert der Freistaat 22,5 Millionen Euro in die Neubauten.
Das 1990 eröffnete niederbayerische Krankenhaus ist eine landesweite
Modellklinik für Forensik. Vor zwei Jahren wurde bereits ein erster
Erweiterungsbau mit 40 Betten eröffnet.
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MM vom 23.03.2006:
"Messer liegen auf der Station nicht rum"
Geiselnahme: Belohnung für Hinweise
Haar - Der aus dem Bezirksklinikum Haar am späten Montagabend geflüchtete
Gewalttäter Tahir Dzemaili ist noch auf freiem Fuß. Gestern Nachmittag setzte
das Landeskriminalamt München für Hinweise zur Ergreifung des Täters 1500 Euro
aus. Der 39-jährige Mazedonier (wir berichteten) ist 181 Zentimeter groß,
schlank, hat kurze dunkle Haare, trägt eine dunkle Jeans, eine dunkelblaue
Nylonjacke und schwarze Turnschuhe. Wer Hinweise geben kann, melde sich im
Polizeipräsidium unter Tel. 29 10-0 oder bei jeder anderen Polizeidienststelle.
Dzemaili war im Rahmen einer sechseinhalbjährigen Haftstrafe wegen gefährlicher
Körperverletzung seit November auf der "geschlossenen weiterführenden Station"
im Haus 19 der Forensik in Haar untergebracht. Ein Drittel der Haftstrafe hat er
bisher verbüßt.
Im Haus 19 machen straffällig gewordene, drogenabhängige Verbrecher eine
Entziehungskur. Sie sollen auch aufgrund einer positiven Gewaltprognose wieder
auf den normalen Alltag vorbereitet werden. Dzemaili, der von der Polizei als
"äußerst gewalttätig" charakterisiert wird, nutzte die Therapie um zu flüchten.
Er bedrohte mit einem 30 Zentimeter langen Küchenmesser, so bestätigte gestern
die Polizei nochmals, seinen Pfleger, nahm ihn als Geisel, flüchtete mit ihm zum
S-Bahnhof Haar und verschwand in einer S-Bahn.
"Messer liegen auf der Station nicht einfach rum", betonte gestern die
Pressesprecherin des Bezirks Oberbayern, Susanne Büllesbach: Man bekomme es nur
auf Nachfrage, beispielsweise zum Schneiden von Brot. Danach müsste es sofort
zurückgegeben werden. Bisher sei im Haus 19 noch nie ein solcher Fall
vorgekommen.
Einige Tage krank geschrieben ist der Pfleger, den der Mazedonier als Geisel
nahm. Er hatte mit seiner besonnenen Reaktion eine Eskalation verhindert. Den
Täter erwartet eine Anklage wegen Geiselnahme mit nicht unter fünf Jahren
zusätzlicher Haftzeit.
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MM vom 23.11.2005:
Forensik aus einer Hand
Stewens schließt
Privatisierung des Maßregelvollzugs nicht aus - VON
RALF HEUSSINGER
München - Um die Kostenexplosion
bei der Verwahrung von psychisch kranken Straftätern abzubremsen, plant das
Sozialministerium eine Reform der Verwaltung des so genannten Maßregelvollzugs.
Die 14 Einrichtungen in Bayern sollen zukünftig zentral verwaltet werden.
Über die Einführung eines Budgets will Sozialministerin Christa Stewens
zudem die staatlichen Ausgaben festschreiben. Ob die Trägerschaft der
Einrichtungen bei den Bezirken verbleibt, in staatliche Hände gelegt oder
privatisiert wird, stehe noch nicht fest, so Stewens.
Grundsätzlich schloss die
Ministerin die Privatisierung der Forensik-Einrichtungen nicht aus. Tatsächlich
hebt eine vom Sozialministerium in Auftrag gegebene Studie hervor, dass
durch privaten Maßregelvollzug in. Thüringen oder Schleswig-Holstein rund
vier Prozent der Kosten eingespart werden können. „Ich bin nicht der
Meinung, dass Privatisierung der Königsweg ist“, sagte Stewens, ließ diese
Möglichkeit jedoch ausdrücklich offen. „Da müssen aber Bezirke und
Freistaat einer Meinung sein.“ Gegen die Privatisierung wandte sich
die Landtags-SPD. Die Sicherheit der Bevölkerung werde dadurch beeinträchtigt.
Ähnliche Bedenken hatten bereits Justizministerin Beate Merk und der Verband
der Bezirke geäußert.
Durchsetzen will Stewens
jedoch eine Budgetierung der Forensik-Einrichtungen, offenbar bereits in
Absprache mit den Bezirken. Diese hielten eine Deckelung des jetzigen
Budgets bis 2007 für möglich, so Stewens.
Die zentrale Verwaltung der
Forensik plant Stewens vor allem hinsichtlich der extrem unterschiedlichen Kosten
in den verschiedenen Einrichtungen. Diese unterscheiden sich bis zu 43
Prozent. „Wir versprechen uns durch den Aufbau einer zentralen, nach
betriebswirtschaftlichen Methoden handelnden Holding, die stark zersplitterte
Kostenstruktur innerhalb der Maßregelvollzugseinrichtungen auf ein
einheitlich kostengünstigeres Niveau zu bringen“, sagte Stewens.
Auch eine Spezialisierung der
einzelnen Kliniken hält Stewens für möglich. Bisher konzentrieren sich nur
zwei Einrichtungen auf bestimmte Patientengruppen. Straubing verwahrt Straftäter,
die als besonders gefährlich gelten, Parsberg konzentriert sich auf Drogenabhängige.
Ausgaben verdreifacht
MM vom 30.06.2005:
Bezirk kämpft um
psychisch kranke Straftäter
München/Irsee (bo) – Die
Hilfe zur Pflege steht vor einer Verlagerung, auch über die
Eingliederungshilfe für Behinderte wird diskutiert - über die Zukunft der
Bezirke wird derzeit intensiv spekuliert, und das wird auch bei der heutigen
Verbandsversammlung im schwäbischen Kloster Irsee der Fall sein. Reformminister
Erwin Huber wird erwartet, die Diskussion dürfte interessant werden. Ein
weiteres Thema brennt den Bezirken auf den Nägeln: Im September wird ein
Gutachten über die Privatisierung des Maßregelvollzugs (Forensik) erwartet.
Der Freistaat zahlt rund 170 Millionen Euro pro Jahr für diese Betreuung
psychisch kranker Straftäter, die Bezirke sind zuständig. Und die wollen kämpfen
und das Thema emotional anpacken: „Der Freistaat muss wissen, ob er hochgefährliche
Kinderschänder und Vergewaltiger in die Obhut dubioser privater
Unternehmen gibt, nur weil es etwas billiger ist“, sagte Ulrich Lechleitner,
Sprecher des Verbands der bayerischen Bezirke.
Seit Jahren schicken Bayerns
Richter vermehrt Straftäter in den Maßregelvollzug, die jährlichen
Zuwachsraten betragen zehn bis 15 Prozent - kein Wunder, dass es immer teurer
wird. Derzeit sind knapp 2000 Patienten in der Forensik untergebracht, doppelt
so viele wie noch vor zehn Jahren. Auch Überlegungen, den Maßregelvollzug
mit Justizvollzugsanstalten zusammenzulegen, hätten sich laut Lechleitner als
nicht sinnvoll erwiesen. „Nur unter unserem Dach gibt es Therapie und
Sicherheit.“
SZ vom 10.05.2005:
Grundsteinlegung im
Bezirkskrankenhaus Haar
Bau der Forensik zeigt
neuen Weg auf
Beispielhaftes Konzept soll
Sicherheit und Therapiebedingungen verbessern / Freistaat investiert 23
Millionen Euro - Von Ralf
Steinbacher
Haar - Der Grundstein für
das „bisher größte Bauvorhaben des Maßregelvollzugs in Bayern" ist am
gestrigen Montagnachmittag gelegt worden. Das sagte Sozialstaatssekretär Jürgen
W. Heike auf der Baustelle der neuen Forensik im Bezirkskrankenhaus Haar, in dem
120 Plätze für psychisch kranke Straftäter geschaffen werden.
Sicherheit hat nach den
Worten Heikes höchste Priorität, auch wenn sichere Verwahrung und höhere
Verweildauer der Patienten allein keine Sicherheit schaffe - auch die Therapie
sei wichtig. Beste Rahmenbedingungen auch für das Personal schaffe da der
Neubau der Forensik, der in seiner Art einzigartig sei. Bezirkstagspräsident
Franz Jungwirth sprach vor etwa 30 Gästen von „einem völlig neuartigen
Weg", der in der Bundesrepublik in dieser Form einzigartig sei.
Entwickelt hat das Gebäude
der Berliner Architekt Joachim Ganz. Ihm ist es gelungen, die mit einem Gefängnis
vergleichbaren Sicherheitsaspekte mit therapeutischen Anforderungen unter einen
Hut zu bringen. Herausgekommen ist ein Bauwerk, das ohne äußere Mauer
auskommt, weil die Innenhöfe eine Höhe von 7,5 Metern haben und damit
praktisch nicht zu überwinden sind. Staatssekretär Heike führte aus, dass der
Neubau so konzipiert sei, dass alle erforderlichen Funktionen in diesem
hermetisch abgeschlossenen Bereich untergebracht werden können - von
Bettenstationen über Behandlungs-, Ergotherapie- und Sporträumen bis zu
Besucher- und Personalräumen. Sogar eine kleine Kapelle gibt es. Damit werde
erreicht, „dass ein Patient von der Einlieferung bis zur Verlegung in ein
weniger gesichertes Gebäude den Hochsicherheitsbereich praktisch nur bei einer
schweren Erkrankung oder bei einer Vorladung beim Gericht verlassen muss".
Die Gemeinde Haar hat nach
langen Beratungen mit zu dem Konzept beigetragen. Dabei bewegte die Gemeinderäte
die Sorge, dass immer mehr Forensik-Patienten in Haar eingeliefert werden. Eine
durchaus berechtigte Sorge. Denn die Gerichte weisen immer häufiger psychisch
kranke Straftäter ein, die dann auch noch länger als früher in Therapie
bleiben - was zu einer Überbelegung im BKH geführt hat. Sowohl Jungwirth als
auch Heike betonten bei der Grundsteinlegung aber, dass der Neubau nicht
bedeute, dass die Bettenzahl erhöht werde. Bei dem Neubau handle es sich um
einen Ersatz. Insgesamt sind derzeit etwa 350 Patienten in der Haarer Forensik
untergebracht.
25 Millionen Euro wird laut
Jungwirth die Forensik kosten, etwa 23 Millionen davon zahle der Freistaat. Der
stoße damit aber an seine Grenzen, so Heike. In diesem Jahr koste der Maßregelvollzug
den Staat 188 Millionen Euro, im Jahr 1996 hätten die Gesamtkosten noch 66
Millionen Euro betragen. Deshalb werde eine Arbeitsgruppe prüfen, ob und wie
der Maßregelvollzug effizienter werden könne - oder ob sogar eine
Privatisierung in Frage komme.
MM vom 10.05.2005:
Mehr Plätze für
psychisch kranke Straftäter
Haar/Taufkirchen (ms/ar) - Für
fast 23 Millionen Euro wird die Bezirksklinik in Haar (Kreis München) erweitert.
Geplant ist der Neubau der Forensik für psychisch kranke Straftäter. 120 neue
Plätze sollen entstehen. Es ist das „bisher größte Bauvorhaben auf diesem
Gebiet in Bayern“, betonte der bayerische Sozialstaatssekretär Jürgen W.
Heike bei der Grundsteinlegung.
In Taufkirchen (Kreis Erding)
stoßen ähnliche Pläne des Bezirks zum Bau einer Männerforensik hingegen
weiter auf starken Widerstand: Die Gemeinde will jetzt Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht
in Leipzig einlegen, um einen restriktiven Bebauungsplan genehmigt zu bekommen.
MM vom 29.03.2005:
Flucht aus Klinik:
Patienten drohen einer Schwester
Ausbruch aus Bezirkskrankenhaus - VON
BETTINA LINK
Kerstin G. erinnert sich noch genau an jedes Detail des schrecklichen Abends. Die Krankenschwester für Psychiatrie kann nicht vergessen, wie zwei ihrer Patienten sie am 19. Juni vergangenen Jahres bedrohten, dazu zwangen, den Schlüssel für die geschlossene Abteilung herauszugeben und dann aus dem Bezirkskrankenhaus Haar flüchteten. Noch heute befällt sie manchmal Panik in Situationen, die sie an jenen Abend erinnern. Das berichtete Kerstin G. jetzt im Prozess gegen die beiden Täter, zwei Drogenabhängige aus München, die nach Straftaten damals zur Therapie ins Bezirkskrankenhaus kamen. Das Amtsgericht verurteilte den 23 Jahre alten Krernik B. jetzt wegen gemeinschaftlicher Nötigung und Bedrohung zu zehn Monaten Haft, den 30 Jahre alten Luis C. zu 14 Monaten.
Kurz vor 22 Uhr hatte B. an jenem 19. Juni die Krankenschwester gebeten, ihr noch einmal den Kraftraum aufzuschließen, weil er dort etwas vergessen habe. Kerstin G. steckte ihr Alarmgerät ein und sperrte dem Patienten die Tür auf. Als beide im Raum standen, kam Luis C. dazu, B. legte die Hände um den Hals der Krankenschwester. "Gib die Schlüssel her, sonst muss ich dich umbringen", sagte B. Kerstin G. folgte der Aufforderung. Dennoch ließen die Männer nicht von ihr ab, B. drückte immer fester zu. Auf dem Weg zum Ausgang löste die Krankenschwester mehrmals über ihr Gerät stillen Alarm aus. Doch niemand kam. Ein zweiter Pfleger bekam nichts mit, weil er mit den übrigen Patienten im Aufenthaltsraum Fußball schaute.
Opfer erinnert sich: "Ich hatte Todesangst"
"Dann habe ich versucht, die Reißleine zu ziehen, mit der ich lauten Alarm auslösen kann", erinnert sich Kerstin G. "Ich hatte Todesangst und das Gefühl, ich muss hier unbedingt raus." Als es ihr endlich gelang, den lauten Alarm auszulösen, hatten die beiden Männer aber bereits den Ausgang erreicht und flüchteten. Als die in einem anderen Haus auf dem Gelände untergebrachten "Schwarzen Sheriffs" kamen, fehlte von den Flüchtigen jede Spur. C. wurde erst Ende Juni wieder festgenommen, B. Ende Juli.
Die mehrfach vorbestraften Männer hatten nach einer Verurteilung wegen Drogendelikten bereits einige Monate in Haar verbracht, bevor sie ihre Flucht planten. "Ich war echt motiviert für die Therapie und habe mich an alle Regeln gehalten ", erklärte B. "Aber immer war ich eingesperrt." Irgendwann hätten sie es nicht mehr ausgehalten.
Dorfener Anzeiger vom 25.01.2005:
Freistaat droht Bezirken: Sparen oder auflösen
Huber plant grundlegende Reform - Jungwirth: „Immer schlägt man auf uns
ein“
München (cd/dw) - Die sieben bayerischen Bezirke sollen schlanker werden
- oder verschwinden. Die Staatsregierung droht mit einer Reform, um die
Bezirke zum Sparen zu zwingen. Sie sollten „eigene Reformanstrengungen
unternehmen“, sagte Staatskanzlei-Chef Erwin Huber in einem Interview.
Sonst stelle sich die Frage nach ihrer Zukunft.
Die Bezirke in Bayern sind als dritte staatliche Ebene bundesweit ein
Unikum. Andernorts übernehmen Städte, Gemeinden und Landkreise die Aufgaben
mit. Ende der 90er-Jahre schon suchte eine CSU-Arbeitsgruppe nach Alternativen -
vergeblich. Ohnehin könnten die Bezirke nur per Verfassungsänderung gekippt
werden und nicht per Huber-Drohung.
Dennoch flammt die Diskussion neu auf. Die Kommunen sind sauer über
die drastisch steigende Bezirksumlage. „ Wer nicht spart, der muss damit
rechnen, dass er in Frage gestellt wird“, sagt Gemeindetags-Chef Uwe Brandl
(CSU). Die Bezirke hätten ihren Handlungsspielraum zu Einsparungen „nicht
ausgenutzt“. Stattdessen wollen die Bezirke den Freistaat verklagen, weil
sie angeblich zu wenig Mittel vom Staat bekommen. Huber merkt an, dass die Zuwendungen
auf 600 Millionen Euro fast verdoppelt wurden.
Am Donnerstag saßen die CSU-Landräte mit Huber und Ministerpräsident Edmund
Stoiber fünf Stunden zusammen und stritten über die Kommunalfinanzen. An eine
Drohung von Huber wollen sich Beteiligte nicht erinnern. Ohnehin sind die
Landräte skeptisch. „Die Aufgaben muss ja dann irgendjemand übernehmen“,
sagt Gottlieb Fauth (Ebersberg): „Ob das den großen Sparknaller bringt, da
habe ich meine Zweifel.“
Die hat auch Oberbayerns Bezirkstagspräsident Franz Jungwirth. Es gebe
keine bessere Lösung, sagt er und beklagt sich: „ Von oben und unten
schlägt man auf uns ein. Das ist demotivierend.“
SZ vom 27.07.2004:
Bezirkstagspräsident
Franz Jungwirth
Regionalisierung
der Psychiatrie erfolgreich
Neue
Standorte in anderen Krankenhäusern im Gespräch / Forensik-Planung bleibt aber
schwierig-Von
Peter Oberstein
Haar - Nach Ansicht von Bezirkstagspräsident Franz Jungwirth (CSU) ist die
Regionalisierung der Psychiatrie ein Erfolg. Sie wird fortgesetzt. Als neuer
Standort käme unter anderem auch die Kreisklinik Pasing in Frage. Die Suche
nach neuen Standorten für die Forensik sei indessen schwierig, betonte
Jungwirth.
2568
Krankenhausbetten in der Psychiatrie seien für Oberbayern im Jahr 2005
genehmigt, sagte Jungwirth jetzt auf einer Veranstaltung der Frauen-Union in
Haar. Diese Betten dürfe der Bezirk regional aufteilen. Wenn nun beschlossen
werde, in Fürstenfeldbruck eine Psychiatrie mit 80 Betten zu eröffnen, werde
diese Zahl von der Zahl der Betten in Haar abgezogen.
Der
Internetseite des Bezirks zufolge sind in Haar 1217 Betten angesiedelt, hinzu
kommen 55 Plätze im Psychiatrischen Krisen- und Behandlungszentrum. In der
Forensik, die Teil des Haarer BKH ist, sind etwa 300 Patienten.
Jungwirth
hob die Erfolge der Regionalisierung hervor. Sie brächte eine wohnortnahe
Versorgung der Kranken. An Standorten wie Ingolstadt würden alle Patienten
durch die gleiche Pforte eintreten. "Der eine geht in die Chirurgie, der
andere in die Psychiatrie", das nehme letzterer etwas von ihrem Odium, das
ihr noch zum Teil anhaftet, sagte Jungwirth. Als weitere Standorte für eine
Psychiatrie seien die Krankenhäuser Schwabing und Pasing im Gespräch.
Die
Verweildauer der Patienten in der allgemeinen Psychiatrie liege zwischen 20 und
30 Tagen, erklärte Jungwirth weiter. Die Krankenkassen zahlten allerdings nur
noch zehn Tage für die Entgiftung von Patienten, die etwa infolge einer
Drogensucht erfolge. Das sei zu kurz, fand Jungwirth. Die CSU-Bezirksrätin für
den Landkreis München Süd, Kerstin Schreyer-Stäblein, wies auf ein anderes
Problem hin. Eigentlich hätte der Bezirk die ambulante Versorgung ausbauen
wollen. Aufgrund der Finanzmisere geschehe das aber nicht. Der Bezirk versuche
nur noch, die ambulante Versorgung auf ihrem bisherigen Niveau zu halten. Somit
steige die Tendenz zur stationären Aufnahme, so Schreyer-Stäblein. Dies gilt
auch für Patienten, die nach einem kurzen Aufenthalt in der Klinik ambulante
Hilfe bräuchten.
Die
Verweildauer der Forensikpatienten hat sich gegenüber der anderer Kranken erhöht.
Sie liegt bei durchschnittlich sechs Jahren. Dadurch steigt die Zahl der
psychisch kranken Straftäter im Bezirkskrankenhaus Haar, was wiederum die
Gemeinde mit Sorge betrachtet. Sie drängt auf Alternativstandorte für die
Forensik. Gemeinderat Dietrich Keymer (CSU) fragte, warum im Landesplan für
Forensik keine Standorte festgeschrieben seien. Jungwirth wies darauf hin, dass
im Landesentwicklungsprogramm (LEP) festgelegt sei, dass es in einer bestimmten
Region eine Forensik geben müsse. "Wenn wir dann einen Platz finden, wo
das Baurecht stimmt, wird das ganz schnell geändert, sobald die Gemeinde Wind
davon bekommt", sagte Jungwirth. Er rechnet mit einer Frist von zehn Jahren
für einen neuen Standort.
Dorfener Anzeiger vom 12.05.2004:
Landräte packen die
juristische Keule aus
Bezirk
wird wegen Umlage verklagt
Landkreis
(lan) - Die oberbayerischen Landräte verklagen den Bezirk Oberbayern. Das
beschlossen der Ebersberger Landkreischef Gottlieb Fauth und seine Kollegen
gestern bei einer gemeinsamen Tagung in Ebersberg. Ansatzpunkt ist die deutlich
angehobene Bezirksumlage, die von den Landkreisen bezahlt werden muss.
Die Klage ist nur der erste Schritt. Es gehe darum, das Gesamtsystem von
Aufgaben und Finanzierung unter die Lupe zu nehmen, so Landrätesprecher Max
Gimple (Rosenheim). Und damit meint er vor allem die Bundesregierung.
Durch die jahrelange Umverteilung von Aufgaben auf die Kommunen drohe nun der finanzielle Kollaps. Weil die Politik nicht reagiere, wollen die Landräte den juristischen Hebel ansetzen und bis zum Bundesverfassungsgericht gehen.
Erdings Kreischef Martin Bayerstorfer kommentiert die Aktion so: "Unser erster Ansprechpartner ist der Bezirk. Die Zielrichtung ist der Bund, der immer wieder neue Leistungen einführt, von der Grundsicherung bis Hartz IV. Das bedeutet stets einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Die sozialen Standards müssen den wirtschaftlichen Bedingungen angepasst werden. Nun soll gerichtlich überprüft werden, ob bei der Bezirksumlage richtig gerechnet wurde und ob die Kommunen ihre Leistungen überhaupt noch erbringen können."
Ausführlicher Bericht im überregionalen Teil dieser Ausgabe.
SZ vom 31.01.2004:
Kommunen fürchten um ihre
Finanzkraft: „Das ist ein Fass ohne Boden“
Protest gegen Erhöhung
der Bezirksumlage
Bürgermeister: Stattdessen soll der Bezirk einen nicht genehmigungsfähigen Haushalt verabschieden - Barbara Mooser
Landkreis - Auf die Kommunen
im Landkreis kommt ein hartes Jahr zu: Der Bezirk erhöht seine Umlage um
voraussichtlich 2,2 Prozent, der Landkreis braucht zur Deckung des eigenen
Finanzbedarfs knapp 2,7 Prozent zusätzlich. Dadurch dürfte die Kreisumlage auf
51 Prozent steigen – eine Tatsache, mit der sich nicht alle Bürgermeister
abfinden wollen.
Bereits vor knapp einem Jahr
hatte Landrat Martin Bayerstorfer prognostiziert, dass eine Steigerung der
Kreisumlage von derzeit 46 auf „deutlich über 50 Prozent“ zu erwarten sei.
Diese Ankündigung hatte schon damals die Bürgermeister im Landkreis entsetzt,
und auch jetzt wollen sie eine derart hohe zusätzliche Belastung nicht
akzeptieren. Ihre Kritik zielt freilich nicht auf den Landkreis. Vielmehr schließen
sie sich den Forderungen des Bezirksverbandes Oberbayern im bayerischen
Landkreistag an: Die Bezirksumlage dürfe nicht erhöht werden, statt dessen
solle der Bezirkstag einen nicht genehmigungsfähigen Haushalt verabschieden. Für
den Landkreis würde schon eine Erhöhung der Bezirksumlage um ein Prozent eine
zusätzliche Belastung von 832000 Euro bedeuten, die sie an die Gemeinden
weitergeben müsste.
„Das ist doch ein Fass ohne
Boden“, schimpft Jakob Schwimmer, CSU-Landtagsabgeordneter und
Kreisvorsitzender des Bayerischen Gemeindetags. Er selbst will als Bürgermeister
von St. Wolfgang eine Kreisumlagenerhöhung von gerade einmal 2,5 Prozent im
Haushalt einkalkulieren. Das Problem sei, so Schwimmer, dass in Berlin
„rotzfrech angeschafft“ werde: Gesetze würden gemacht, ohne über die
resultierenden Kosten für die Kommunen nachzudenken. Die hohen Kosten der
Bezirke würden durch Rahmengesetze des Bundes verursacht. „Wir werden das
nicht länger willfährig hinnehmen“, kündigte Schwimmer an. Dass der
Freistaat einspringt, um die Finanzierungslücke der Bezirke zu schließen, hält
Schwimmer für ausgeschlossen: „Der Freistaat hat sowieso schon 140 Millionen
zusätzlich draufgelegt. Mehr ist nicht drin.“
Rudolf Borgo (SPD), Bürgermeister von Wörth, plädiert hingegen durchaus dafür, den Freistaat verstärkt zur Verantwortung zu ziehen. Schließlich sei ein großer Teil der Kosten der Kommunen – beispielsweise für die Schulsozialarbeit – auch vom Freistaat verschuldet. Schlimm sei auch der Einbruch bei den Schlüsselzuweisungen. Bald könnten wohl nur noch wenige Kommunen einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, befürchtet Borgo: „Auch wir müssen auf unser Vermögen zurückgreifen, um den Verwaltungshaushalt zu finanzieren.“ Hinter der Umlagenerhöhung, die für den Kreis selbst benötigt wird, steht Borgo, selbst Kreisrat, dennoch: „Das Geld wird schließlich für Investitionen verwendet, die den Landkreis-Bürgern zugute kommen.“
MM vom 26.01.2004:
Landrat kritisiert Bezirksetat als „unseriös“
München (agm) - Der Landrat im Landkreis München und CSU-Bezirksrat, Heiner Janik, hat den Entwurf des Bezirks-Haushalts 2004 scharf kritisiert. Die bestehende Deckungslücke in Höhe von 75 Millionen Euro solle zum Teil durch eine Zuführung vom Vermögens- zum Verwaltungshaushalt ausgeglichen werden, was „nicht seriös“ sei. Janik sprach sich gegenüber unserer Zeitung dafür aus, einen „nicht genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen“. Nur so könnten die Probleme des Bezirks deutlich werden. Die Erhöhung der Bezirksumlage um 2,2 Prozent sei noch nicht entschieden, auch in der CSU-Fraktion gebe es noch keine Festlegung. Sparen könne der Bezirk nicht mehr. Einziger Weg aus der Haushaltsmisere sei eine Änderung der Sozialgesetze des Bundes. Letztlich „geht es nicht ohne Sozialabbau“.
SZ vom 21.01.2004:
Oberbayerische Kreise
schlagen Alarm
Wegen wachsender Sozialhilfe-Ausgaben fordern Landräte Verzicht auf Erhöhung
der Bezirksumlage
- Von Wolfgang Schäl
Landkreis - Die
oberbayerischen Landkreise sehen sich aufgrund der hohen Sozialausgaben am Ende
ihrer finanziellen Leistungskraft angelangt und schlagen Alarm. Es sei
mittlerweile „eine Situation eingetreten, die wir nicht mehr verkraften können“,
sagte Max Gimple, der Rosenheimer Landrat und Vorsitzende des Bezirksverbandes
Oberbayern im bayerischen Landkreistag gestern bei einer Versammlung in Bad Tölz.
18 von 20 oberbayerischen Landräten hatten sich in der Tölzer Kreisbehörde getroffen, um eine umfangreiche Agenda abzuarbeiten. Das aber sei wegen der drängenden Geldprobleme nicht gelungen, sagte Gimple im Anschluss. Die Probleme würden immer mehr und immer schwieriger. Mit Blick auf die leeren Kassen forderten die Landräte den Bezirk einstimmig auf, heuer auf eine Erhöhung seiner Umlage zu verzichten, auch auf die Gefahr hin, dass der Bezirkshaushalt, der am 12. Februar verabschiedet werden soll, dann nicht genehmigt werde. „Wir wollen die Dinge auf die Spitze treiben“, bekannte Gimple, denn die Situation sei dramatisch. Ebenso wenig wie seine Kollegen gibt Gimple dem Bezirk die Schuld an der Entwicklung. Der habe seine Hausaufgaben gemacht und verfüge auch selber nur über wenig Spielraum.
Ursache dafür, dass Kreise
und Gemeinden mit dem Rücken an der Wand stünden, seien „die immensen
Ausgaben im sozialen Bereich, die deutlich schneller steigen als das
Bruttosozialprodukt“. Diese Schere öffne sich immer weiter. Die
Sozialausgaben seien in den vergangenen 15 Jahren mehr als dreimal so hoch
geworden. Gegen diese Anforderungen aber könne man sich nicht wehren, denn sie
seien festgeschrieben in den Rahmengesetzen des Bundes, also im
Bundessozialhilfe- und im Jugendhilfegesetz.
Probleme bereitet auch die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Dies bürde den Kreisverwaltungen zusätzliche Kosten und Arbeit auf und sei nur durch personelle Aufstockung zu bewältigen, hieß es.
MM vom 18.12.2003:
Bezirk zeigt sich
kooperativ
Durchführungsvertrag
perfekt - von Claudia Erl
Haar
- Mit den Unterschriften von Bezirkstagspräsident Franz Jungwirth (CSU) und
Haars Bürgermeister Helmut Dworzak (SPD) wurde gestern besiegelt, was der
Gemeinderat einen Tag zuvor mit einer Gegenstimme von Martin Bayer (FW)
beschlossen hatte: Der Bezirk Oberbayern wird ein neues Forensikgebäude im
Bezirkskrankenhaus Haar (BKH) errichten.
Ein Durchführungsvertrag
regelt dabei Grundsätzliches zwischen Bezirk und Gemeinde. Der Neubau soll
120 Forensikpatienten Platz bieten. Trotzdem soll sich die Zahl der psychisch
kranken Straftäter in der Haarer Klinik nicht erhöhen. Das versucht die
Gemeinde unter anderem in dem Vertrag festzuschreiben - auf baurechtlicher
Grundlage, denn andere Mittel stehen der Kommune hier nicht zur Verfügung.
Der Vertrag regelt, dass die
Forensik künftig auf ein bestimmtes Gebiet des Geländes begrenzt wird. Das
bedeutet auch, dass vier Pavillonhäuser, die aus Platzmangel zu Forensikgebäuden
umgewandelt worden sind, geräumt werden. Sobald der Forensikneubau fertig
gestellt ist, hat der Bezirk laut Vertrag noch ein halbes Jahr Zeit, die Räumung
der Jugendstilgebäude vorzunehmen. Außerdem verpflichtet sich der Bezirk auch
in Zukunft, keine anderen Jugendstilgebäude, die außerhalb des ausgewiesenen
Forensikgebietes des BKH liegen, dauerhaft mit Straftätern zu belegen.
Ebenfalls im Vertrag
festgelegt wurde eine Änderung, die die Mitglieder des Gemeinderats sehr begrüßten:
Der Sicherheitszaun konnte nun doch niedriger als geplant angelegt werden. Statt
des bisher geforderten 6,50 Meter hohen "Natozauns" reicht aufgrund
der Bauweise nun eine Höhe von maximal 4,76 Meter aus. Solch dominanten Überwachungs-
und Absperreinrichtungen beeinträchtigen laut Meinung der Räte den Charakter
eines psychiatrischen Fachkrankenhauses empfindlich.
Sogar bei der
Fassadengestaltung darf die Gemeinde Haar jetzt mitreden. Diese Art der
Kooperation zwischen Bezirk und Gemeinde soll in Zukunft Standard sein: Der
Bezirk wird in enger Abstimmung mit Haar eine Planung künftiger städtebaulicher
Entwicklung und Nutzung des gesamten Bezirksgeländes erarbeiten. Dazu hat die
Gemeinde in ihrem Projekt "Haar 21" extra einen Arbeitskreis bestimmt.
Die Gemeinde Haar zeigt großes
Interesse daran, die frei werdenden Teile des Krankenhauses ins Gemeindegebiet
zu integrieren, ohne jedoch den Park- und Ensemblecharakter des Geländes zu
zerstören. Bis spätestens September 2005 soll die Bauleitplanung dem
Gemeinderat zur Billigung vorliegen. Danach hat der Bezirk 36 Monate Zeit, den
Forensikneubau zu errichten.
MM vom 12.12.2003:
Der Papst, der in Seelen
liest
MÜNCHNER PROFILE - von
Bettina Link
Sie nennen ihn den Papst. Den
"Papst der Forensik". Und darauf ist der Gerichtspsychiater Norbert
Nedopil, das gibt er gerne zu, ein wenig stolz. Sich nicht darüber zu freuen,
wenn andere die eigene Arbeit anerkennen, "das wäre falsche
Bescheidenheit", meint er und lächelt vielsagend. Außerdem, sagt er und
lehnt sich in seinem schwarzen Lederstuhl zurück: "Erfolg motiviert."
Seit 1992 leitet der heute 56
Jahre alte Professor die Abteilung für Forensische Psychiatrie der
Medizinischen Fakultät der Uniklinik München. Bei der Forensik handelt es sich
um Spezialgebiet der Psychiatrie, das sich mit Fragen in der Zone beschäftigt,
in denen sich Recht und Psychiatrie überschneiden. Als Gerichtsgutachter liest
Nedopil sozusagen in den Seelen von Mördern, Vergewaltigern, Brandstiftern,
Bombenlegern.
Als niedergelassener
Psychiater wollte der dreifache Familienvater nie arbeiten. Er wollte immer
forschen. Das wusste Nedopil schon im Alter von 17 Jahren. Er hatte Sigmund
Freud gelesen. "Da habe ich beschlossen, Psychiater zu werden und an die
Uni zu gehen."
Damals hielt sich Nedopil in
Amerika auf. Ein Schüleraustausch. Und eigentlich hatte der junge Mann ganz
andere Pläne. "Ich wollte zum Theater", sagt er. Seine Stimme klingt
ein wenig träumerisch: "Als Dramaturg." Damals las Nedopil Goethe,
Shakespeare, auch Kleist. Doch im Mittelwesten Amerikas gab es keine Theater,
erinnert er sich. Und plötzlich griff er zu Freud.
1984 entschied er sich, in
die Forensik zu gehen. Der Leiter der Abteilung suchte einen Stellvertreter.
Sein Professor bestärkte Nedopil, den Posten anzunehmen. "Er sagte, die
Forensik ist die Krone der Psychiatrie." Also ließ sich Nedopil krönen.
Seither haben sich die
Angeklagten in spektakulären Fällen in seinem Büro in der Klinik an der Nußbaumstraße
die Klinke in die Hand gegeben: Schauspieler Günther Kaufmann etwa oder Sven
K., der Peiniger der siebenjährigen "Anna". Oder der österreichische
Bombenleger Franz Fuchs, den Nedopil als seinen psychiatrisch aufregendsten Fall
in Erinnerung hat. "Ein interessanter Mensch in seiner Abwegigkeit",
sagt Nedopil.
Seinen Ruf hat Nedopil nicht
nur seinen Gutachten zu verdanken. Anerkennung haben ihm auch seine Bücher über
forensische Psychiatrie gebracht. Und Veröffentlichungen über seine
Forschungsbereiche, etwa die Qualitätssicherung bei psychiatrischer
Begutachtung.
Nedopil begutachtet die
Menschen, beurteilt sie. Dass er sie nicht wie ein Richter verurteilen muss, darüber
ist er froh. Nedopil kann Menschen nicht schwarz oder weiß sehen. "Dabei
ist mir unwohl", sagt er. Für ihn hat jeder Schatten- und Lichtseiten. Wie
er selbst. Und auch die kennt er. Seine positiven Eigenschaften, wie Fleiß und
Standhaftigkeit. Und seine negativen. "Eine gewisse Eitelkeit." Und
Ungeduld. "Und dass ich gehe, wenn es mir reicht." Denn Nedopil hält
sich für "nur begrenzt kommunikativ".
Wahrlich ist er nicht übermäßig
mitteilsam. Dabei hat er, gerade wenn er spricht, eine ungeheure Präsenz. Wohl
strukturiert und druckreif formuliert kommen die Sätze aus seinem Mund. Wie bei
einem Dramaturg, der um die Wirkung bestimmter Worte weiß. Und vielleicht hätte
aus Norbert Nedopil auch ein Theater-Papst werden können.
MM vom 30.10.2003 - München:
Bezirk: Kein Verständnis für Attacke
Kürzung bei sozialpsychiatrischen Diensten war lange bekannt
München (bo) - Verständnislos
hat Bezirkstagspräsident Franz Jungwirth (CSU) auf die „Wortbruch“-Attacke“
Andreas Niedermeier, dem Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt Oberbayern,
zum Thema sozialpsychiatrische Dienste reagiert (wir berichteten). Mit rund
neun Millionen Euro finanziere der Bezirk die Arbeit der ambulanten Dienste zu
über 80 Prozent, und das werde auch so bleiben, betonte Jungwirth. Doch den
zusätzlichen 18-Prozent-Anteil, den der Bezirk nach dem Rückzug der
Krankenkassen Ende 2002 übernommen hatte, könne man nächstes Jahr nicht
weiter schultern. „Das habe ich mehrmals betont, und darüber hat es mit den
Wohlfahrtsverbänden einen Konsens gegeben“, so Jungwirth. Schließlich habe
der Bezirk den Verbänden durch seine Hilfe ermöglicht, sich ein Jahr lang auf
die Situation einzustellen. „Aber für unsere gute Tat werden wir jetzt in
die Pfanne gehauen.“
MM vom 29.10.2003 -
München:
Trotz
Zusage Finanzierung sozialpsychiatrischer Dienste gestoppt
München
(ws) - Vor zwei Wochen war für Andreas Niedermeier, Geschäftsführer der
Arbeiterwohlfahrt Oberbayern, die Welt noch in Ordnung. In einem
Vier-Augen-Gespräch hatte Bezirkstagspräsident Franz Jungwirth (CSU) ihm
zugesichert, die Finanzierung sozialpsychiatrischer Dienste auch 2004
beizubehalten. Jetzt folgte der "Wortbruch", so Niedermeier: Der
Bezirk will doch aus der ambulanten Betreuung chronisch psychisch Kranker
austeigen - die insgesamt 37 oberbayerischen Einrichtungen verschiedener Träger
müssen auf 1,2 Millionen Euro verzichten.
Die Vorsitzende des bayerischen Landesverbandes der Angehörigen psychisch Kranker, Eva Straub, hält den Beschluss für fatal: "Das geht auf Kosten der Familien, deren oberste Priorität ja gerade von Ministerpräsident Stoiber immer betont wird." Das sei wohl nur Gerede. 60 Prozent der Kranken würden in der eigenen Familie betreut, aber die bräuchten dafür die Hilfe der ambulanten Dienste.
30 Stellen würden wegfallen, fast in jeder Einrichtung eine - und bei bislang höchstens zwei Fachkräften droht manchen Einrichtungen sogar die Schließung. Ganze Landstriche wären dann unversorgt. Straub kennt die Probleme aus ihrer Familie, ein Sohn leidet an Schizophrenie: "Angstpatienten oder Depressive trauen sich nicht zu Ärzten oder Kliniken." Nur bei den ambulanten Diensten sei die Hemmschwelle niedrig genug.
Die Konsequenzen sind für Straub eindeutig: Rückfälle würden ebenso wie Zwangseinweisungen zunehmen. Doch die überfüllten Heime und Kliniken können die Lücke kaum füllen, abgesehen von der finanziellen Kurzsichtigkeit, klagt Niedermeier: "6,6 Tagessätze in der Klinik entsprechen finanziell einem Jahr ambulanter Betreuung." Allerdings nicht auf Kosten der Bezirke - für die Heime müssen die Krankenkassen aufkommen. Und wer nicht dort aufgenommen werde, dem drohen laut Straub Obdachlosigkeit und Verelendung.
SZ vom 29.10.2003 - Erding:
Bezirk will an
sozialpsychiatrischen Diensten sparen
Versorgung psychisch
Kranker bedroht
Schon jetzt gibt es im Landkreis wegen steigender Nachfrage nach ambulanter
Betreuung lange Wartezeiten - Von
Barbara Mooser
Landkreis - Der Geldmangel bei den Bezirken bedroht die ambulante Versorgung psychisch kranker Menschen im Landkreis. Schon jetzt müssen sich Patienten, die die Angebote des sozialpsychiatrischen Dienstes nutzen, auf lange Wartezeiten einstellen. „Sollte der Bezirk tatsächlich weitere Kürzungen beschließen, haben wir ein Problem“, sagt Caritas-Geschäftsführerin Barbara Gaab.
Die Hiobsbotschaften für die
sozialpsychiatrischen Dienste häufen sich in diesem Jahr. Bereits Anfang des
Jahres hatten sich die Krankenkassen aus der Finanzierung zurückgezogen, nun
hat der Bezirk Oberbayern von 2004 an drastische Einsparungen bei der ambulanten
Psychiatrie angekündigt. Ab 2004 sollen in diesem Bereich jährlich 9,4
Millionen Euro weniger ausgegeben werden.
Diskutiert wird darüber morgen im Sozialausschuss des Bezirkstags, doch Barbara Gaab, Geschäftsführerin des Caritas-Kreisverbandes, der Träger des sozialpsychiatrischen Dienstes ist, hofft darauf, dass die Einschnitte nicht allzu drastisch ausfallen. Sollte der Bezirk aber von 2004 an den Anteil der Krankenkassen nicht weiter übernehmen, geriete die Finanzierung ins Schwanken. Schon jetzt übernimmt die Caritas einen Eigenanteil von 28,8 Prozent. Würde der Bezirk den früheren Krankenkassenanteil nicht weiter bezahlen, müsste der Träger weitere 33 000 Euro zusätzlich übernehmen. Dadurch stiege der Eigentanteil nach Angaben von Barbara Gaab auf 42 Prozent. Einsparen könnte man das, so die Caritas-Geschäftsführerin, weder bei den Personal- noch bei den Sachkosten.
Wie Maximilian Kriegisch, Leiter des sozialpsychiatrischen Dienstes, erläutert, müssen sich die Mitarbeiter schon jetzt auf ihre Kernaufgaben konzentrieren: die Betreuung von chronisch psychisch Kranken und die akute Krisenintervention. Dabei steigt die Nachfrage nach niederschwelligen Angeboten für psychisch kranke Menschen ständig. 2002 wurden mehr als 400 Menschen allein in der Beratungsstelle betreut. Auf Dauer könnte man auch durch die Reduzierung des Angebots kein Geld sparen, sagt Kriegisch. Denn es sei wissenschaftlich erwiesen, dass eine gute ambulante Betreuung in vielen Fällen eine Unterbringung in Bezirkskrankenhäusern unnötig mache. Würde man bei den ambulanten Diensten streichen, würde das zwangsläufig wieder die Zahl der Zwangseinweisungen sowie die Behandlungsdauer in den Bezirkskrankenhäusern erhöhen.
SZ vom 23.10.2003 - Haar:
Polizei nimmt zwei flüchtige
Straftäter fest
Haar/Passau - Nach einer Tempokontrolle in Niederbayern hat die Polizei zwei im August aus dem Bezirksklinikum in Haar geflohene Straftäter festgenommen. Die Beamten hatten einen Mann mit einem gestohlenen Auto erwischt, als dieser mit 138 Stundenkilometern über eine Landstraße raste. In dem Fahrzeug habe sich Diebesgut aus dem österreichischen Braunau befunden, teilte die Polizei am gestrigen Mittwoch mit. Die Ermittlungen führten zu einer Hehlerwohnung in Passau, in der sich die Häftlinge versteckten.
MM vom 21.10.2003 - München:
Leitender Beamter stolpert
über Nebenjob
Ex-Verwaltungschef
des Bezirks verurteilt - VON
ANGELA WALSER
München
- Der ehemalige Verwaltungschef (63) des Bezirks Oberbayern ist vom Amtsgericht
München wegen Vorteilsannahme zu einer Geldstrafe von 3750 Euro (150 Tagessätze
à 25 Euro) verurteilt worden. Der 63-Jährige hatte sich verbotenerweise durch
einen Beratervertrag für eine bezirkseigene Baugesellschaft ein Zubrot von
monatlich 600 Euro verdient.
Ex-Bezirkstagspräsident
Hermann Schuster (66) hatte seinerzeit bedenkenlos grünes Licht für den
Vertrag gegeben. Das bestätigte er als Zeuge vor Gericht. Angeblich hatte er
dem Angeklagten die Nebentätigkeit zukommen lassen, weil dessen Gehaltsskala
bereits ausgeschöpft war. Davon wollte Schuster aber wenig wissen: "Es
ging darum, dass ordentliche Verträge mit den Kommunen abgeschlossen
wurden." Schuster hatte dem 63-Jährigen mündlich erlaubt, die Nebentätigkeit
anzunehmen. Auf den Einwand von Richterin Ulrike Groll, dass entsprechende
Genehmigungen nur schriftlich erteilt werden dürften, erwiderte Schuster:
"Ich bin gelernter Techniker, Architekt und kein Jurist. Ich habe nicht
gewusst wie das gehandhabt wird."
Aufgedeckt wurde die unrechtmäßige Nebentätigkeit durch den so genannten "Lustreisen-Skandal" des Bezirks. Dessen Mitglieder waren jahrelang für insgesamt rund 400 000 Euro durch die Welt gefahren. Auch der Angeklagte nahm an einigen Reisen teil, dessen fachlicher Hintergrund umstritten ist. Schuster erklärte, dass die Reisen unternommen worden seien, um den Aufsichtsräten der Baugesellschaft etwas zu bieten, die für ihre Tätigkeiten keine Vergütungen erhalten hätten. Die Reisen hätten stets einen fachlichen Bezug gehabt. Schuster wie auch sein Nachfolger Erwin Filser (63) hatten wegen des Skandals ihren Hut nehmen müssen.
MM vom 17.10.2003 - München:
Franz
Jungwirth in seinem Amt bestätigt
München
(agt/dpa) - Der CSU-Politiker Franz Jungwirth bleibt auch weiterhin
Bezirkstagspräsident in Oberbayern. Mit 40 von 56 abgegebenen Stimmen wurde
er gestern in der ersten Sitzung nach den Bezirkstagswahlen in seinem Amt bestätigt.
Jungwirth war ohne Gegenkandidat zur Wahl angetreten. Im Hinblick auf die große
Mehrheit, die die CSU in diesem Gremium nach der letzten Wahl inne hat, stellte
er besonders heraus, dass der Bezirkstag ein kommunales Gremium sei, das auf
Konsens ausgelegt sei. Als thematische Schwerpunkte in der kommenden
Sitzungsperiode bezeichnete er die regionale Identität, die der Bezirk über
Heimatpflege und Kulturförderung unterstützen werde, aber auch die finanzielle
und organisatorische Vorsorge von behinderten Menschen. Jungwirth sprach in
seiner kurzen Dankesrede von der Gefahr, dass in der heutigen Gesellschaft viel
zu viel nur nach dem Geld eingeordnet werde und ethische Werte wie
beispielsweise Menschlichkeit verloren gingen.
Neuzuwachs
erhielt das Gremium bei der Wahl der 57 Bezirksräte: 20 von ihnen wurden zum
ersten Mal in den Bezirkstag beordert.
SZ vom 15.10.2003 - München:
Prozess um Honorar vom Bezirk - Manfred Hummel
Ex-Verwaltungschef wegen Vorteilsnahme vor Gericht
München – Kurz vor der konstituierenden Sitzung des Bezirkstags von Oberbayern am Donnerstag wird das Gremium an ein unrühmliches Kapitel seiner Vergangenheit erinnert. Vor dem Amtsgericht München geht es um die Folgen der „barocken“ Amtsführung früherer Bezirkstagspräsidenten wie Erwin Filser und Hermann Schuster. Unter ihrer Ägide fanden teuere „Lustreisen“ in alle Welt auf Kosten des Steuerzahlers statt. Wegen Vorteilsnahme muss sich jetzt ein früherer Spitzenbeamter des Bezirks verantworten. Aber nicht, weil Georg G. an vier Lustreisen teilnahm. Der einstige Leiter der Hauptverwaltung hat von der Wohnungsgesellschaft Oberbayerische Heimstätte (OH), einer Tochter des Bezirks Oberbayern, seit 1994 monatlich 600 Euro Berater-Honorar kassiert. Das hätte er nicht tun dürfen, meint die Staatsanwaltschaft, denn die juristische Beratung gehöre ohnehin zu den Dienstobliegenheiten des Beamten. Er habe den Auftrag dazu von Bezirkstagspräsident Schuster erhalten, wehrte sich der Angeklagte, nicht schriftlich, sondern nur mündlich. Als „leidenschaftlicher Baurechtler“ habe er den Bezirk bei diversen Grundstücksgeschäften beraten und ihm auf diese Weise eine Menge Geld gespart. Am kommenden Montag werden Schuster und Filser dazu als Zeugen gehört. Mit 18 000 Euro Strafe, beziehungsweise 7500 Euro Buße waren die beiden Präsidenten strafrechtlich noch äußerst glimpflich aus den Affären hervorgegangen. Um Missbrauch in Gesellschaften der öffentlichen Hand künftig besser aufdecken zu können, wünscht sich der Kommunale Prüfungsverband vom Gesetzgeber dringend mehr Rechte. Ohne Sondergenehmigung des Bezirks hätten die Prüfer die Lustreisen gar nicht untersuchen dürfen.
MM vom 14.10.2003 - Bayern:
Leitender
Beamter verdiente am Bezirk
München
(wal) - In Kanada informierten sich die Ausflügler angeblich über
landestypische Holzbauweisen, in Irland über psychiatrische Unterbringung. Tatsächlich
dienten die früheren Reisen der Bezirksregierung Oberbayern wohl mehr der
eigenen Unterhaltung. Immer mit dabei - der ehemalige Leitende Beamte. Zu
Prozessauftakt vor dem Amtsgericht München räumte der 62-Jährige ein, dass
Motorbootfahrten oder der Aufenthalt in Nobelhotels wohl übertrieben gewesen
seien. Allerdings war er stets auf ausdrücklichen Wunsch des jeweiligen
Bezirktagspräsidenten mitgereist.
Das
waren seinerzeit Hermann Schuster und Erwin Filser. Beide mussten ihre Posten räumen,
als die so genannten "Lustreisen" aufgedeckt wurden (wir berichteten).
Zudem wurden sie wegen Nichtabführung von Vergütungen zur Kasse gebeten. Die
hatten sie aus Aufsichtsratstätigkeiten für bezirkseigene
Wohnungsgesellschaften bezogen. Schuster akzeptierte einen Strafbefehl über 18
000 Euro. Das Verfahren gegen Filser wurde gegen 7500 Euro eingestellt.
Auch
der erste Beamte des Bezirks soll zwei Jahre lang mittels Beratervertrag für
eine hundertprozentige Tochterfirma des Bezirks verdient haben. Dabei meldete er
diese Nebentätigkeit nicht an. Ex-Präsident Schuster hatte den Angeklagten für
Beratung im öffentlichen Recht vorgeschlagen. Er und Kollege Filser sollen am nächsten
Montag als Zeugen aussagen.
MM vom 02.10.2003 - Haar:
Ein Zeichen an das
Sozialministerium
Gemeinde stimmt
Forensik-Neubau zu
Haar (agm) - Der Gemeinderat
Haar stimmte am Dienstagabend grundsätzlich der Errichtung eines Forensik-Gebäudes
auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses Haar (BKH) zu. Mit diesem Ja ist
allerdings ein städtebauliches Verfahren verbunden, das die Überplanung des
insgesamt 86 Hektar großen Geländes zum Inhalt hat.
Dabei sollen künftig, entscheidend für den
Gemeinderat, die Forensikgebäude auf das 20 Hektar umfassende Gelände im
Norden begrenzt werden. Das für den Forensik-Neubau erforderliche
planungsrechtliche Verfahren soll auf Grundlage dieses Gesamtkonzeptes erfolgen.
Dafür muss zwischen Bezirk Oberbayern und Gemeinde Haar ein sogenannter
"Durchführungsvertrag" geschlossen werden.
Kein Porzellan mittels Agitation zerschlagen
Nur Martin Bayer (FWG) stimmte gegen den
Beschluss. Einzäunung und Patientenzahl müssten erst vom Bezirk begrenzt
werden, forderte er. "Wir können nicht die Patientenzahl begrenzen, nur
die Gebäude", betonte Bürgermeister Helmut Dworzak (SPD). Selbst der
Bezirk habe da keinen Einfluss. Die Zuweisungen erfolgten über Gerichte. Außerdem
sei der nur eingeschossige Forensikbau in seiner Dimensionierung dezent gegenüber
dem, was das Ministerium wollte. Dworzak: "Glauben sie mir: Ein mehrstöckiges
Gebäude hätte die lieber gehabt. So richtig eins mit Tabula Rasa,
Vergitterung, Todestreifen, Kameraüberwachung, Zaun und so weiter." So
aber habe man den Charakter einer Strafgefangenenanlage noch verhindern können.
Dworzak sprach aber auch ein deutliches Wort in
Richtung Sozialministerium: "Ich hoffe sehr, dass dort gesehen wird, wie
sich Haar verhält. Man sollte froh sein, in der Gemeinde einen Partner zu
haben, der kein Porzellan mittels Agitation gegen Patienten zerschlägt."
Das könnte auch ganz anders sein, stimmte die
CSU-Fraktion dem SPD-Bürgermeister zu. So, wie in Taufkirchen/Vils
beispielsweise, wo Bürgerinitiativen gegen die Bezirksklinik von der
politischen Gemeinde unterstützt werden.
Umgekehrt erwarte man dann aber auch eine
Zusammenarbeit von Bezirk und Ministerium in Sachen Bauleitplanung. Der Durchführungsvertrag
würde eine kontrollierte, verträgliche, städtebauliche Nutzung des insgesamt
86 Hektar großen, historischen Bezirksgeländes bieten, eine erste konkrete
Bauleitplanung für das Gesamtgelände unter Einbeziehung der Wünsche der
Gemeinde. Verweigert sich das Ministerium, besteht kein Zweifel, dass es einen
Forensik-Neubau nicht geben kann. Die Räte sind willens, die Planungshoheit im
Interesse der Gemeinde auch aktiv zu nutzen.
Hilfreich wäre es, merkte Dietrich Keymer
(CSU) an, wenn "auch der Bezirk den kooperativen Weg mitginge". Aber
egal was der Bezirk nun macht, die Gemeinde wird die städtebauliche Überplanung
des Geländes vorantreiben. Es soll konkretisiert werden, was neben den 20
Hektar Forensikbereich, dem 2,3 Hektar großen Friedof und 3,5 Hektar
umfassenden Sportflächen in den übrigen Entwicklungsflächen enstehen soll.
Das können verschiedene Klinik- und Gesundheitseinrichtungen sein, aber auch
Wohnbereiche. Im Oktober noch soll der neu konstituierte Bezirkstag sein Ja zur
Kooperation mit Haar und dem Durchführungsvertrag geben. Das scheint sicher.
Wie das Sozialministerium auf die geplante Kooperation reagieren wird, dagegen
noch nicht.
MM vom 25.09.2003 - Freising:
Pointner
macht Bezirks-Karriere
Landrat
drin, Großkopf raus
VON
HELMUT HOBMAIER Landkreis - Noch eine Hiobsbotschaft für die Genossen: Für
Birgit Großkopf (SPD) hat es nicht mehr gereicht, dafür darf sich der
Freisinger Landrat nun auch Bezirksrat nennen: Manfred Pointner sammelte als
Zweitstimmenkandidat der Freien Wähler "daheim" 7391 und auswärts in
Oberbayern weitere 3523 Stimmen - das reichte. Sehr beachtlich schlug sich
Elisabeth Kropp (CSU), die mit 22 220 Stimmen immerhin auf Rang vier der Nachrücker
landete.
Pointner zeigte sich hocherfreut über den Wahlerfolg. In dem neuen Amt wolle er - wohl fraktionsübergreifend mit den ebenfalls im Gremium vertretenen CSU-Landräten Heiner Janik (München-Land) und Harald Kühn (Weilheim-Schongau) handfeste Landkreise-Interessen vertreten. So könnten die Kommunen in vielen Bereichen die steigende Kostenlast nicht mehr schultern. Der Staat müsse hier seinen Beitrag erhöhen. Das Amt des Landrats dürfe unter dem neuen Mandat aber nicht leiden. Er müsse wohl seine zahlreichen Ämter etwas durchforstern, um im Terminkalender Platz für den Bezirkstag zu schaffen.
Dieses Problem hat die Freisinger Rechtsanwältin Birgit Großkopf (SPD) nicht mehr. Sie kam gleichsam mit der SPD unter die Räder, es reichte nur noch für einen Platz auf der Ersatzliste.
Dort findet sich auch Elisabeth Kropp (CSU), die nach dem stolzen Landkreis-Ergebnis (14 955 Stimmen) auch oberbayernweit noch stark auftrumpfen konnte (7265 Stimmen). Dennoch hat es für die 31-jährige Kinderhortleiterin nicht mehr gereicht - es fehlten dann doch noch 6000 Wahlkreuze.
Respektabel auch das Abschneiden des FW-Bezirkstags-"Rebellen" Benno Zierer, der als Direktkandidat seine 6195 Kreis-Stimmen "mitnehmen" durfte, in Oberbayern aber nur noch weitere 1505 Kreuzerl sammeln konnte. Zierers Ergebnis sei "auch nicht schlecht", lobte immerhin der Land- und Bezirksrat Pointner.
In der Rubrik "Unter ferner liefen" finden sich nicht nur die Grünen-Kandidaten Andreas Ammer und Julia Zacherl-König, die ödp-ler Helmut Priller und Monika Berghamer, die Liberalen Hildegard Waschkowski und Stefan Jahnel - es findet sich auch OB Dieter Thalhammer. Nicht einmal die legendäre Ankündigung Dr. Hubert Hierls, er werde als Bezirkstags-Hinterbänkler enden, habe sich somit erfüllt, kommentierte Thalhammer eher amüsiert seine Niederlage.
Münchner Merkur vom 16.09.2003:
Zuviele Straftäter in der Psychiatrie
Bezirkskrankenhaus machen Forensik-Patienten zu schaffen
Haar - Bayerns Justizminister Manfred Weiß (CSU) ist selbst ins Bezirkskrankenhaus Haar gekommen, um sich über die Struktur der Forensik zu informieren und die Probleme zu diskutieren. Die werden vor allem durch den steten Zuwachs der psychisch kranken oder drogenabhängigen Straftäter im Krankenhaus verursacht.
Forensikleiter Dr. Herbert Steinböck verwies auf den großen Boom der Forensik, der etwa ab 1996 einsetzte. Damals, als die öffentliche Diskussion über psychisch kranke Straftäter am lautesten war, hat laut Steinböck offenbar ein Umdenken stattgefunden - auch bei Richtern und Gutachtern. Gerade die Zahl der Sexualstraftäter habe in der Forensik enorm zugenommen und das, obwohl die Gesamtzahl der Sexualdelikte keinesfalls gestiegen sei: Während 1996 noch 19 Sexualstraftäter in Haar untergebracht waren, sind es heute 53. Zudem habe sich die Verweildauer in der Forensik drastisch erhöht: Von im Schnitt 4,5 Jahren 1996 auf jetzt 6,5 Jahren. Sowohl Haars Bürgermeister Helmut Dworzak (SPD) als auch Landtagsvizepräsidentin Roswitha Riess (CSU) betonten, dass die Haarer Bevölkerung zwar große Akzeptanz gegenüber dem Krankenhaus zeigt, nun aber die Forensik mit mittlerweile 350 Patienten (bei 298 Planbetten) ganz nah an der Grenze dran sei, die Stimmung kippen zu lassen.
Entlastung sei vor allem durch die Patienten zu erreichen, die wegen Paragraph 64 in Haar sind - also eine Straftat aufgrund Drogenmissbrauchs begangen haben, glaubt Weiß. Etwa 20 Prozent der "64er" sind Ausländer, die von konkreter Abschiebung bedroht sind.
Auch Drogenfälle nach Therapie zurück ins Gefängnis
Steinböck sprach sich dafür aus, in diesen Fällen nur den ersten Teil der Therapie ohne die anschließende Resozialisierung durchzuführen und dann nach höchstens sechs Monaten eine Rückkehr in die Justizvollzugsanstalt (JVA) oder die Abschiebung stattfinden solle. Ebenso fehl am Platz im BKH sind laut Steinböck die "Langstrafler" und Menschen, die eine schwerwiegende Vorgeschichte haben, mangels Motivation zur Therapie.
Für die wohl effektivste Entlastung für Haar, ein neuer Forensikstandort in Oberbayern, hatte der Minister keinen Tipp bereit. Zum Vorschlag des Bezirkstagspräsidenten Franz Jungwirth, man könne doch Forensiken statt an psychiatrische Krankenhäuser künftig auch an die JVAs angliedern, äußerte sich Weiß verhalten: Er weiß um die Probleme, neue Standorte für eine Forensik zu finden. JVAs hingegen würden von den Landräten recht gerne in ihrem Gebiet eröffnet. Das bringt Arbeitsplätze, und im Gefängnis bliebe die Tür zu. In der Forensik hingegen muss sie immer wieder aufgehen - im Sinne der Resozialisierung. erl
MM vom 08.09.2003 - Haar:
Jugendstilhaus strahlt in neuem Glanz
Kleines Theater vor der Wiedereröffnung
Haar (gü) - Bühne frei für das Kleine Theater in Haar. Für das ehemaligen Kliniktheater auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses beginnt eine neue Ära: Mit einer feierlichen Wiedereröffnung am Freitag, 12. September, öffnet das Kleine Theater nach längerer Renovierung wieder seine Pforten.
Nach einer Brandschutzbegehung war das 1912 fertig gestellte Jugendstiljuwel gesperrt und dann für rund 1,5 Millionen Euro saniert worden. Eine Hebebühne wurde installiert, der Zuschauerraum als Stuhllager unterkellert, die Sanitäranlagen erweitert und erneuert und für die Sicherheit im Brandfall gesorgt. "Nun erstrahlt das Kleine Theater wieder im alten Jugendstilglanz und ist bühnentechnisch bestens gerüstet", sagt Susanne Büllesbach vom Bezirk Oberbayern.
Als verantwortlicher Betreiber hat der Verein Regenbogen die Regie übernommen und wird einen Kulturbetrieb mit integrativem Ansatz etablieren. Der Bezirk Oberbayern als Eigentümer hat sich damit einen erfahrenen Partner gesucht: Bereits seit 1989 bespielt der Regenbogen das Kleine Theater und hat sich einen festen Abonnentenstamm für seine Veranstaltungen, zum Beispiel die "Kultur am Ostpol", geschaffen. Das neue Nutzungskonzept sieht eine möglichst breite Veranstaltungspalette vor. Eigene Programmangebote sollen genauso Leben ins Haus bringen wie die Vermietung an externe Firmen für Jubiläen und Veranstaltungen. Ziel ist es, ein möglichst breites Publikum anzusprechen und damit auch Hemmschwellen vor dem Betreten des Krankenhausgeländes und dem Umgang mit der Psychiatrie abzubauen.
Münchner Merkur vom 02.09.2003:
Zwei
Verbrecher aus Mainkofen auf der Flucht
Mainkofen
(lby) - Drei Tage nach ihrem gemeinsamen Ausbruch aus der geschlossen
Abteilung des Bezirksklinikums in Mainkofen (Kreis Deggendorf) sind zwei psychisch
kranke Straftäterweiter auf der Flucht. „Die Suche konzentriert sich
derzeit auf den Raum Passau“, sagte ein Polizeisprecher. Die beiden 24 und
29 Jahre alten Männer gelten als gemeingefährlich. Das Duo hatte am Freitag
eine Krankenschwester im Aufzug überfallen und ihr den Gebäudeschlüssel vom
Gürtel gerissen. Die 42-Jährige erlitt Würgemale am Hals sowie Schürfwunden
und musste ambulant versorgt werden. Die Straftäter konnten fliehen, weil im
Erdgeschoss ein Klinik-Angestellter die Gittertür öffnete, um seiner
Kollegin zu helfen.
Bereits
am 23. August war ein Verbrecher (56) aus dem Bezirkskrankenhaus Regensburg
nicht von einer Therapie zurückgekehrt und hatte mit zwei Mittätern einen 41-Jährigen
niedergeschlagen und dessen Wohnung verwüstet. Der Mann wurde inzwischen
gefasst.
MM vom 27.08.2003
Gefangen hinter dem eigenen Ich
Ortstermin in Haar: Besuch in der forensischen Psychiatrie - VON MAX FREISLEDER
Haar - Wenn Herbert Steinböck vom Schreibtisch aus in Richtung Fenster schaut, kann es sein, dass sein Blick ein Bild des Dichters Bertolt Brecht streift. Dort, auf dem Foto über dem Bürofenster, einer der größten deutschen Dichter des 20. Jahrhunderts, einer, der sich als Anwalt der Unterdrückten und Ausgebeuteten verstand. Und hier der Leiter der forensischen Psychiatrie im Bezirkskrankenhaus Haar, Chef der vermauerten und vergitterten, doppelt und dreifach abgesicherten Hochsicherheitstrakte für die nach Paragraf 63 und 64 des Strafgesetzbuches (StGB) psychisch kranken oder suchtkranken Rechtsbrecher. Ein Widerspruch?
Erinnerungen an Stuttgart-Stammheim
Haar - im Volksmund ein Synonym für "Irrenhaus". Forensik - ein Fremdwort. Dabei ist sie Teil des Gesundheitssystems, garantiert die Versorgung psychisch kranker Menschen, auch kranker Rechtsbrecher. Das markanteste Forensik-Gebäude in Haar, die Station 210, unter Insidern "die Burg" genannt, ist von meterhohen, mit Stacheldraht gesicherten Beton-mauern umgeben. Beim Näherkommen fühlt man sich an den Gefängniskomplex in Stuttgart-Stammheim erinnert, wo vor gut einem Vierteljahrhundert die RAF-Terroristen verwahrt wurden. Oder an die scharf bewachte ehemalige DDR-Grenze. Aber da ist das feuerbunte Graffiti, das inzwischen die "Burg"-Mauern ziert, sie zu Symbolen von Kraft und Lebenswillen wandelt. So stellt sich ein Gefühl der Erleichterung ein - "Hier leben also doch Menschen."
Brechts Schaffen entzündete sich am Gegensatz zwischen individuellem und kollektivem Glücksstreben und suchte den Ausgleich. Den Ausgleich eines problematischen Gegensatzes suchen in Haar auch Herbert Steinböck und sein Team: Auf der einen Seite vollziehen sie staatlichen Sicherungsauftrag im Dienst des Opferschutzes. Auf der andere Seite aber wollen sie seelische Gesundung, größtmögliche Freiheit für den Erkrankten, dessen Störung auch aus dem Zusammenspiel gesellschaftlicher Bedingungen heraus zu verstehen ist. Sexualstraftäter zum Beispiel, die ein knappes Fünftel der rund 350 zurzeit in der Haarer Forensik untergebrachten Patienten ausmachen, "entschädigen" sich mit ihrer Tat häufig für aktuelle Frustrationen, die vor dem Hintergrund erlebter Kindheitstraumata besser verstehbar sind.
In Mauern, Gitterfenstern und Panzerglastüren schlägt sich die harte Wirklichkeit des Ausgleichs zwischen dem kranken, gefährlichen Streben des Täters und dem Opferschutz, dem Schutz der Gesellschaft nieder. Die Mauern symbolisieren den Bruch, der durch die Persönlichkeit der meisten Menschen geht, die im Haarer Vollzug untergebracht sind. "Ein großer Teil der Täter war selbst Opfer", sagt Steinböck über die Forensik-Patienten. In tiefenpsychologischen Therapien wird versucht, die verschütteten Opfer-Erfahrungen zurück ins Bewusstsein der Täter zu holen.
Abteilungsarzt Georg von Vopelius-Feldt präsentiert Zahlen, die begrenzten Erfolg belegen: "Ein Drittel unserer Patienten schafft den Sprung in ein normales oder beschütztes Leben", sagt der Psychiater. Bei therapierten Sexualstraftätern verringert sich die Rückfallquote um ein Drittel.
Die Grausamkeit der Sexualverbrechen und der prompte Rückfall therapierter Täter haben die Sicherheitsdiskussion neu angefacht. Die Verschärfung der gesetzlich festgelegten Entlassungsbedingungen für den Maßregelvollzug trägt dem Rechnung: Patienten werden künftig nicht mehr auf Probe entlassen - man erwartet künftig 100-prozentige Rückfallfreiheit. Steinböck schildert ein klassisches Dilemma, das besonders für Sexualstraftäter zutrifft: "Die Einsicht in das Unrecht einer Tat besteht fast immer, aber die Steuerungsfähigkeit ist beeinträchtigt oder fehlt." Tätern, die im Wahn handelten, könne man kaum Urteilsfähigkeit attestieren.
Der 53-jährige Jurist Walter K. (Name geändert) nimmt im Gesprächsraum der besonders gesicherten Station 22 E Platz und erzählt, was in ihm vorgeht, wenn es zur Tat kommt. K. ist pädophil und seit sechs Jahren in Haar. Mit großer Ehrlichkeit beschreibt er sich selbst als "Meister der Manipulation", der es verstand, besonders bei den Söhnen allein erziehender Mütter die Vaterrolle zu übernehmen. Aus einer solchen Machtposition heraus müsse man sexuelle Handlungen gar nicht offen erzwingen, sondern das Kind willige von selbst ein, sagt K.
Die Frage nach der
Sicherheitsstufe, die für einen Patienten gilt, ist in der Forensik in Haar von
zentraler Bedeutung. K. ist erst vor wenigen Tagen rückfällig geworden - jetzt
gibt es keinen Ausgang mehr. Seine Beschreibung, wie es zum Rückfall kam,
liefert einen wichtigen Einblick in die Täterpsyche: K. wurde von einem Mann
zum Tennisspielen aufgefordert. Erst rückblickend, sagt er, sei ihm klar
geworden, er habe nur deshalb Ja gesagt, "weil der seinen 15-jährigen Sohn
dabei hatte". Wenige Tage später geht K. bereits mit dem Buben
Billardspielen. Er habe sich, beschreibt K. die Mechanismen der Selbsttäuschung,
gar nichts dabei gedacht. Als er die Geschichte nach längerem Verschweigen dem
Therapeuten erzählt, wird er zurückgestuft. "Ich muss lernen, mich selbst
zu durchschauen und dann gleich Nein sagen", sagt Herr K., der Ärzte und
Therapeuten in Haar als "sehr engagiert" bezeichnet.
Auch der 34-jährige Peter F. (Name geändert), der nach Drogenmissbrauch an
Schizophrenie leidet, äußert sich positiv über Mediziner- und Therapeuten:
"Ich werde hier als Mensch ernst genommen", sagt er.
"Erst wenn man raus
kann, fängt man wieder zu leben an."
Peter F., 34
Weil er glaubte, der Teufel
sei hinter ihm her, hat F. im Wahn Leute niedergeschlagen und dabei leicht
verletzt. Heute tut ihm das Leid. Therapie und Medikamente haben ihn so
stabilisiert, dass er Ausgang bekommt: "Erst wenn man raus kann, fängt man
wieder zu leben an", sagt F. Ansonsten bleiben Hof, schmale Gänge oder
Gemeinschaftsräume für den Aufenthalt. Ein wenig wirken die Stationen in Haar
wie merkwürdig stille Bahnhöfe mit unruhig Wartenden.
Die Arbeits-, Therapie- und Lebensbedingungen in der Haarer Forensik, in der
ausschließlich Männer überwiegend niedrigen Bildungsstands untergebracht
sind, haben sich jedoch während der letzten Jahre entscheidend verbessert. Die
Zahl des ärztlichen, therapeutischen und pflegerischen Personals wurde
verdoppelt. Die Mahlzeiten werden gemeinsam eingenommen, das Fernsehprogramm
wird mit den Pflegern besprochen. Eine rigorose Regelung für die Nachtruhe gebe
es nicht, sagt Stationsleiter Hans Mühlbauer.
Station 22 E ist renoviert, hier findet man moderne Zweibettzimmer mit Guckloch
in der Tür und eine gut ausgestattete Werkstatt für Arbeitstherapie. Einen
Teil des Tages verbringen die Patienten dort. In der "Burg" dagegen
haben die Zimmer Zwischengitter, von den Türstöcken platzt das Holz, die Wände
müssten dringend gestrichen werden. Der Aufnahmedruck, entschuldigt Steinböck,
übersteige die Kapazitäten.
Süddeutsche Zeitung
vom 25.08.2003
„Fahrlässige
Thesen“
CSU kritisiert
FW-Argumente gegen die Bezirke - sda
Freising - Die Diskussion
über Sinn oder Unsinn der bayerischen Bezirke geht in die nächste Runde. Erich
Irlstorfer, Stadtrat und stellvertretender Vorsitzender des CSU-Ortsverbands
Freising, sieht im „Gerede um die Abschaffung der Bezirke“ eine
„Doppelmoral“: Ohne die Namen von Landrat
Manfred Pointner und Stadt- und Kreisrat Benno Zierer zu nennen, die sich für
die Parteifreien um ein Mandat im oberbayerischen Bezirkstag bewerben, warf er
ihnen vor, „fahrlässig Thesen aufzustellen, die davon zeugen, dass sie keine
Kompetenz besitzen“.
Zuvor hatte Franz
Jungwirth beim CSU-Frühschoppen in Pulling über die Aufgaben dieser „dritten
kommunalen Ebene“ und das Explodieren der Ausgaben im Pflege- und
Behinderten-Bereich referiert. Die Bezirke müsste man erfinden, wenn es sie
nicht geben würde, unterstrich der Bezirkstagspräsident. Untersuchungen
belegten, dass eine Aufgaben-Delegation an Verbände und Landkreise nicht
funktioniere: Viele der Pflichten könnten die Kreise finanziell gar nicht
schultern. „Wenn jemand in den Bezirkstag will, dann soll er sich ehrlichen
Herzens den Aufgaben stellen“, so Jungwirth.
Wie berichtet, hatte
Zierer bei einer Wahlversammlung in Hallbergmoos als Motivation für seine
Kandidatur angegeben, den Bezirkstag „so auszuhöhlen, dass er später
vielleicht gar nicht mehr gebraucht wird“. Pointner nannte es als sein
zentrales Anliegen, in dem Gremium mitzubestimmen: Finanziert werde das
bedeutende Haushaltsvolumen schließlich von den Kreisen, denen eine Umlage-Erhöhung
ins Haus stehe.
Für Jungwirth als
Vorsitzender des oberbayerischen Bezirkstags und Erststimmenkandidat sind das
inakzeptable Aussagen. Statt sich darum zu kümmern, eine Erhöhung der
Bezirksumlage zu verhindern, solle „er“ dafür sorgen, seine Kreisumlage
stabil zu halten und die Finanzen des Klinikums in Ordnung zu bringen, so sein
Vorwurf an den Landrat.
Münchner Merkur vom 19.08.2003:
Serientäter
(14) flieht aus Klinik
Personal
mit Messer bedroht - Drei Ausbrüche in fünf Tagen
Mainkofen/Haar
(sue) - Gleich drei Straftäter konnten in den vergangenen fünf Tagen aus
Bezirkskliniken in Bayern fliehen. Der jüngste Fall: Ein 14-jähriger Serientäter,
der wegen seiner Drogensucht in Mainkofen untergebracht ist, hat Personal
mit einem Messer bedroht und so seine Flucht erpresst.
In
„Mehmet“-Manier schlug der Straubinger in den vergangenen Monaten ganze 35
Mal zu, vor allem mit Diebstählen und Einbrüchen. In der Nacht auf Montag
bedrohte der seit einigen Wochen in der Abteilung für drogensüchtige
Jugendliche beheimatete 14-Jährige im Stationszimmer das anwesende Personal
mit einem Messer. „Dabei handelte es sich vermutlich uni ein Besteckmesser“,
sagt der ärztliche Direktor Wolfgang Schreiber. „Er war ja in der
Entzugsabteilung für Jugendliche, da gehört ein normaler Tagesablauf dazu.
Und da wird auch Besteck nicht abgezählt oder weggesperrt.“ Zudem habe so
etwas niemand von dem 14-Jährigen erwartet.
Zunächst
wollte der Straubinger nur Medikamente erpressen. Dann aber zwang er eine
Schwester, die Tür der geschlossenen Abteilung zu öffnen. Er warf das Messer
weg und flüchtete zu Fuß - obwohl er Autoschlüssel und Geldbeutel einer
Schwester gestohlen hatte. Es wurde sofort nach ihm gefahndet. Am Montagmorgen
teilte die Mutter des 14-Jährigen der Polizei mit, dass sich ihr Sohn bei ihr
befinde. Er wurde festgenommen. Noch ist offen, ob der Straubinger zurück
nach Mainkofen oder ins Gefängnis kommt.
Schon
am Samstag war ein Mann (32) aus Mainkofen geflohen. Der drogensüchtige und
als gefährlich geltende Patient kehrte von einem Freigang auf dem Gelände
nicht zurück. Die Polizei fordert die Bevölkerung auf, nicht an den Mann
heranzutreten. Am Donnerstag konnte der 33-jährige Alexander Schmid aus dem
Bezirkskrankenhaus Haar (Kreis München) flüchten. Der wegen Körperverletzung
und Brandstiftung verurteilte und zur Entziehung nach Haar eingewiesene Schmid
war einfach mit dem Radl am Pförtner vorbeigefahren (wir berichteten).
Münchner
Merkur vom 18.08.2003
Gefährliche
Insassen auf der Flucht
Mainkofen/Haar
(mm/lby) Ein 32-jähriger Mann ist aus der Nervenklinik im
niederbayerischen Mainkofen geflohen. Der als gefährlich geltende Patient war
nicht von einem Freigang zurückgekehrt. Die Bevölkerung wird aufgefordert,
nicht an den Mann heranzutreten.
Aus
dem Bezirkskrankenhaus Haar (Kreis München) ist ein Straftäter mit einem
Radl geflüchtet.
Süddeutsche Zeitung vom 18.08.2003
Straftäter
flieht mit Fahrrad aus Bezirkskrankenhaus
Haar - Der 33-jährige Alexander Schmid ist am Donnerstag gegen 18.30 Uhr aus dem Bezirkskrankenhaus Haar geflohen. Wie die Polizei mitteilt, ist Schmid wegen schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung verurteilt und befand sich in Haar aufgrund eines Unterbringungsbefehls. Die Flucht gelang dem 33-Jährigen auf dem Weg zum Sportplatz auf dem Gelände des Haarer Bezirkskrankenhauses. Er ist vermutlich mit dem Fahrrad unterwegs. Als das Aufsichtspersonal die Flucht Schmids bemerkte, wurde sofort die Polizei alarmiert. Alexander Schmid ist 1,86 Meter groß, etwa 87 Kilogramm schwer, schlank, hat ein ovales Gesicht, kurze blonde Haare und eine Oberlippennarbe auf der rechten Seite. Zum Zeitpunkt der Flucht trug er ein dunkles T-Shirt mit rot-weißen Querstreifen sowie eine dunkle Sporthose und dunkle Turnschuhe. Wer den Gesuchten gesehen hat oder Hinweise hat, melde sich bitte bei der nächsten Polizeidienststelle.
pa
Süddeutsche Zeitung vom 14.08.2003
Die finanzielle Situation
des Landkreises hat sich innerhalb eines Jahres drastisch verändert
Steiler Sturz von
„unheilbar gesund“ bis auf „heilbar krank“
Gespräch mit Landrat
Heiner Janik über Haushaltsprobleme, die Abschaffung der Bezirke und
den Autobahn-Südring
SZ: Herr Janik, im
Kreishaushalt klafft eine Lücke von 14,5 Millionen Euro. Wie ernst ist die
Lage?
Janik: Seit wir diese
finanziell desaströse Situation haben, bekomme ich manchmal Schlafstörungen.
Da wache ich auf und notiere mir irgendeinen Gedanken für die Lösung eines
Problems.
SZ: Vor nicht langer Zeit
haben Sie den Landkreis als die Insel der Seligen gepriesen.
Janik: Ich habe noch vor
einem Jahr gesagt, der Landkreis München ist unheilbar gesund. Jetzt hoffe ich,
dass er heilbar krank ist. Das ist wie ein Unwetter über uns herein gebrochen.
Erreichtes wieder einzureißen ist sehr mühsam. Sie machen sich keinen Begriff,
wie auch gute politische Freunde sich plötzlich als Lobbyisten betätigen und
ich deren Briefe in den Papierkorb werfen muss.
SZ: Wie hoch ist der
Haushaltsansatz des Landkreises?
Janik: Rund 260 Millionen
Euro. Hauptposten sind Sozialhilfe, Jugendhilfe, ÖPNV, Personalausgaben,
Gastschulbeiträge, Aufwand für weiterführende Schulen. Das ist alles
festgeklopft.
SZ: Wie sieht es mit den
Rücklagen aus?
Janik: Die fließen in
den U-Bahnbau Garching.
SZ: Sie haben dem
Kreistag jetzt eine Streichliste vorgeschlagen und warten auf Echos. Da ist auch
die Krankenpflegeschule drin, Personalkosten für Jugendhilfe,
Schulsozialarbeit, Sportklassen.
Janik: Alles schon
entschieden. Krankenpflegeschule, Schulsozialarbeit in Unterschleißheim,
Oberschleißheim, zweimal Taufkirchen, Erwin-Lesch-Schule, Kirchheim, mit
breiter Mehrheit.
SZ: Was bringt das alles?
Janik: Die
Schulsozialarbeit etwa 50000 Euro, die Krankenpflegeschule ist im Haushalt mit
730000 Euro drin. Alles in allem Einsparungen von etwa 800000 Euro. Die Beschlüsse
mussten gefällt werden, damit zum Schuljahrsbeginn für alle Klarheit herrscht.
SZ : Wie schaut es mit
den Jugendzentren aus?
Janik : Das kommt in die
Ausschüsse und den Kreistag im September. Es geht um 1, 6 Millionen. Eventuell
kommt auch ein Kompromiss auf Halbierung der Personalkostenzuschüsse zustande.
Das wären 800000 Euro. Der Rest müsste über eine Kreisumlagenerhöhung
reinkommen.
SZ : Apropos Steuergeld:
War der Landkreis finanziell am großen Geburtstagsfest der Kreissparkasse für
Vorstandschef Kamprath beteiligt?
Janik: Nein, das haben
die alleine bezahlt. Wir sind zwar die Eigentümer...
SZ : Nicht nur Gewährträger,
sondern auch Eigentümer?
Janik : Das ist eine
kuriose Geschichte. Wir haben mal nachgeforscht, wem die Kreissparkassen
eigentlich gehören, und da hat sich eine Gesetzeslücke aufgetan. Die gehörten
nämlich nur sich selber. Erst durch meinen Vorstoß beim bayerischen
Landkreistag wurde das bayerische Sparkassengesetz dergestalt geändert, dass
die Eigentümerstellung der Gebietskörperschaften festgeschrieben ist und nicht
der Interpretation irgendwelcher Juristen beim Sparkassenverband unterliegt. Und
ich gebe zu, durch die Eigentümerstellung tun wir uns bei Verhandlungen
leichter.
SZ: Sind Sie eigentlich
mit der Ertragsentwicklung zufrieden?
Janik: Im Verwaltungsrat
der Kreissparkasse haben wir schon vor längerem festgestellt, dass auf dem
Kostensektor etwas getan werden muss. Bei dem Zinsniveau ist es natürlich
schwer, eine Zinsspanne zu halten, von der die Sparkassen leben. Was die Felder
anbelangt, können wir auf dem Sektor Wohnungsbaufinanzierung sicher noch was
verkraften, um es mal sehr dezent zu formulieren.
SZ : Der Vorstand will
das Personal um 50 bis 100 Leute verringern, allerdings ohne betriebsbedingte Kündigungen.
Reicht das?
Janik : Nur die
Fluktuation zu nutzen, ist vielleicht zu wenig. Das gilt übrigens auch fürs
Landratsamt.
SZ: Dort ist doch alles
ziemlich festgemauert?
Janik: Auch da ist nicht
auszuschließen, dass einmal zum Mittel der betriebsbedingten Kündigung
gegriffen werden muss. Aber wir versuchen natürlich, mit anderen Mitteln unsere
Ziele zu erreichen. Zunächst einmal werden freie Stellen nicht mehr besetzt,
denn nichts ist so schlimm, als jemandem zu sagen, man müsse ihm kündigen.
SZ: Wie groß ist die Manövriermasse?
Janik: In der
Kernverwaltung des Landratsamtes haben wir 650 Mitarbeiter. Angepeilt wird ein
Einsparvolumen von 35 Stellen. Bei Krankenhäusern läuft es anders. Die
finanzieren sich auch anders, bisher über die Pflegesätze und seit Januar über
die Fallpauschalen, die sogenannten DRG (Diagnostic Related Groups).
SZ: Reichen all diese
Ausgabenkürzungen denn aus?
Janik: Es ist weiter
abzusehen, dass wir eine Bezirksumlagenerhöhung voll durchreichen müssen.
SZ: ...die aber noch
nicht da ist.
Janik: Nein, aber das ist
eben auch eine Unwägbarkeit. Wenn wir nicht diese 14,5 Millionen einsparen würden,
ergäbe es 8 oder 9 Punkte Kreisumlagenerhöhung. Das geht nicht. Also müssen
die Kürzungen in dieser Höhe erfolgen. Die Erhöhung der Bezirksumlage kommt
todsicher. Der neue Bezirkstag fängt doch sofort mit den Haushaltsberatungen
an. Allein der Landkreis München zahlt in diesem Jahr 18 Millionen weniger
Bezirksumlage. Für uns ist ein Punkt etwa 3,6 Millionen. Wenn die nur den
Ausfall wettmachen wollen, dann sind das schon fünf Punkte. Das Problem ist,
dass Stadt und Landkreis München als Umlagezahler so gravierend ausfallen. Die
beiden tragen zu mehr als 50 Prozent des Bezirksumlageaufkommens in Oberbayern
bei. Dazu noch die eigene Kreisumlagenerhöhung – solch eine Sch...situation
gab es nach dem Krieg noch nie, nicht einmal andeutungsweise.
SZ: Besteht die Chance,
dass der Bezirk sich ebenfalls drastisch den neuen Verhältnissen anpasst?
Janik: Das ist schwer,
weil bei ihm der Anteil gesetzlich gebundener Ausgaben höher ist. Aber er
sollte es natürlich auch.
SZ: Würde es etwas
bringen, die Bezirke abzuschaffen?
Janik: Aus meiner Sicht
ja. Wie Sie vielleicht wissen, kandidiere ich für den Bezirkstag.
SZ: Aber nur auf der
Liste...
Janik: Ich stehe auf
Platz 20. Das ist eine Art Gottesurteil, ob ich rein komme. Allerdings sind vor
mir viele, die direkt gewählt werden. Von denen, die nur auf der Liste
kandideren, bin ich an siebter Stelle. Mich hatte Engelbert Kupka gefragt,
welche Aussagen zum Bezirkstag ich denn in den Wahlkampfprospekt schreiben
wollte. Da habe ich gesagt, ich trete an, damit die Bezirke abgeschafft werden.
SZ: Gab das Ärger?
Janik: Ja, Schon etwas.
Die Partei meinte, das könne man doch nicht als Wahlziel reinschreiben. Aber
Tatsache ist, ich bin dieser Ebene gegenüber sehr kritisch.
SZ : Empfehlen Sie das
auch den beiden Direktkandidatinnen der CSU, Karin Thalmaier und Kerstin
Schreyer-Stäblein?
Janik: Bei denen ist die
Affinität zu sozialen Bereichen schon von Berufs wegen und auch als Mütter
ganz anders. Aber die sehen auch die finanzielle Realität.
SZ: Welche konkreten Gründe
haben Sie?
Janik: Diese Ebene zur
Erfüllung der überörtlichen Sozialhilfe gibt es bundesweit nur in Bayern.
Also kann niemand sagen, dass sie unverzichtbar ist. Diese überörtliche
Sozialhilfe... Mir erscheint es als kluges Modell, ein oder höchstens zwei
Landeswohlfahrtsverbände zu gründen, vielleicht in München und Nürnberg,
eine Art Zwangszweckverbände. Solche Verbände gibt es in Sachsen, in Baden-Württemberg,in
Hessen. Denen könnte man alles übertragen, was mit Sozialhilfe zu tun hat und
vielleicht auch noch andere Aufgaben. Dann wären die Repräsentanten der
Kommunen und Landkreise Mitglieder in diesen Zweckverbänden.
SZ: Wie im Regionalen
Planungsverband zum Beispiel?
Janik: Ja, das ist ganz
ähnlich.
SZ: Ist denn einmal
ausgerechnet worden, wieviel Geld das sparen würde?
Janik : Nein, bisher war
auch der Leidensdruck noch nicht so groß. Aber jetzt ist er da. Wir haben die
teuerste überörtliche Sozialhilfe in Deutschland.
SZ: Und wo bliebe dann
die Identität der verschiedenen Bezirke?
Janik: Ähnlich wie in
Sachsen könnten wir ein Kulturraumgesetz schaffen, mit ganz schlanker
Verwaltung, jeweils für Oberbayern, Schwaben, etc. Da könnten die
Freilichtmuseen und die Heimatpflege verwaltet werden. Wenn dann noch was übrig
bleibt, könnten das die örtlichen Gebietskörperschaften übernehmen.
SZ: Da gibt es im
Landkreis München nur das Bezirkskrankenhaus Haar.
Janik: Wenn ich sämtliche
Grundstücke dazu bekäme, würde ich das sofort übernehmen. Ohne Grundstücke
geht da natürlich nix.
SZ: Das ist ja ein
riesiges Gelände.
Janik: Deshalb befürchte
ich auch, dass niemand auf mein großzügiges Angebot eingehen wird.
SZ: Das wäre für den
Landkreis aber hoch interessant.
Janik: Natürlich, aber
nochmals: Ich kandidiere, weil ich ein Gegner dieser Institution bin..
SZ: Was sagen denn ihre
Parteifreunde zu dieser politischen Haltung?
Janik: Die werden mich in
der Luft zerreißen, wenn sie lesen, was ich noch vor der heißen Phase des
Wahlkampfes da sage. Aber ich kann nicht anders.
SZ: Haben Sie denn
Mitstreiter?
Janik: Unter den Landräten
und Bürgermeistern jede Menge, unter Bezirksräten wohl keinen.
SZ: Und wenn Sie hinein kämen
würden sie einen Antrag stellen auf Selbstauflösung des Gremiums?
Janik: Da würde mir
schon was einfallen. Dem Modell zur Erhaltung der Bezirke ist nie ein
Alternativmodell zur Auflösung gegenüber gestellt worden. Wenn jemand eine
echte Reform vorschlägt, o.k., aber das ist ja unterblieben. Natürlich
verstehe ich, dass die Schwaben und andere ihre kulturelle Identität erhalten
wollen. Aber das geht auch anders.
SZ: Der Wegfall der
Bezirksumlage wäre natürlich ein großer Schluck für Landkreise und
Gemeinden.
Janik: Schon, aber es gäbe
natürlich stattdessen eine Landeswohlfahrtsverbandsumlage und eine
Kulturraumumlage. Die wären aber wesentlich niedriger. Und mit der
Zusammenlegung von sieben Verwaltungen auf zwei kann viel eingespart werden.
SZ: Die Kreisumlage wurde
dieses Jahr um zwei Punkte erhöht. Was kommt nächstes Jahr?
Janik: Ich rechne bei der
Bezirksumlage mit mindestens vier Punkten plus x. Die Kreisumlage würde nur
wegen der Bezirksumlage erhöht. Das Gesetz verbietet es, die laufenden Ausgaben
über Kredite zu finanzieren.
SZ: Wollen sie über den
Autobahn-Südring reden?
Janik: Ich stehe dem
Projekt mit deutlicher Zurückhaltung gegenüber, um nicht zu sagen
Gegnerschaft. Sobald nur die ersten groben Trassenvorschläge auf dem Tisch
liegen, wird ein Proteststurm über das Umland fegen von einem Ausmaß, das sich
wenige vorstellen können. Jetzt sollte erst einmal die Machbarkeitsstudie
abgewartet werden, die ich eher als eine Unmachbarkeitsstudie sehe.
SZ: Innenminister Günther
Beckstein macht sich sehr stark für den Südring.
Janik: Wir können ja
wetten, ob erst der Innenminister Beckstein geht, oder ob der Autobahnring-Süd
kommt. Ich würde sagen, es nützt dem Autobahnring wenig, dass Beckstein heute
dafür ist.
SZ: Wohin geht es im
Urlaub?
Janik: Radeln von Nürnberg
nach Würzburg mit einer Gruppe von Freunden, danach besuchen wir noch alte
Bekannte am Gardasee und in der Toskana. Ich freue mich auf vier Wochen Urlaub.
Interview: Dieter Appel
Süddeutsche Zeitung vom 24.07.2003
Neubaupläne des Bezirks für
die Forensik
Gemeinde verweist auf ihre
Planungshoheit
Haar will sich nicht hetzen lassen und erst konkrete Bettenzahlen und ein
Gesamtkonzept sehen
- Von Peter
Oberstein
Haar - Die Staatsregierung
will möglichst bald auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses einen
Forensikneubau verwirklicht sehen. Die Kommune macht ihre Zustimmung von einem
Gesamtkonzept für das Klinikgelände abhängig. Eine Vorstufe soll der Gemeinde
bald vorgelegt werden.
Der Ton in der Diskussion war
freundlich. Inhaltlich gibt es aber einen Interessenkonflikt. Haar will die Zahl
der Forensikpatienten beschränkt sehen. Haars Bürgermeister Helmut Dworzak
(SPD) beklagte zudem die Eile, mit der das Projekt eines Neubaus nun
vorangetrieben werde. Diese begründete Bezirkstagspräsident Franz Jungwirth
(CSU) mit haushaltstechnischen Gepflogenheiten. Das Geld für den Neubau sei im
Doppelhaushalt der Staatsregierung, die für die Forensik aufkommen müsse,
eingestellt. Falls es dieses Jahr nicht abgerufen werde, könne es gestrichen
werden, sagte er. Er wolle aber mit dieser Bemerkung „keinen Druck“ auf die
Gemeinderäte ausüben.
Zudem erklärte er, dass er bei langen Verhandlungen im Sozialministerium erreicht habe, dass die Finanzmittel für den vom Bezirk favorisierten Entwurf verwendet werden sollten. Dieser Bau ohne gefängnisgleiche Mauern entspräche den Haarern Wünschen, sagte der Bezirkstagspräsident. Die architektonische Lösung des Ministeriums sei hingegen „sicherlich kompakter“. Dort plane man mit mehreren Stockwerken. Der Entwurf des Bezirks sieht nur einen erdgeschossigen Bau vor
Falls der Neubau entsteht, könnte die Forensik aus den Häusern 6, 26 und 64 ausziehen, versprach Jungwirth. Falls der Gemeinderat seine Zustimmung verweigere, müsse man „eine andere Lösung“ im bestehenden Gebäudeensemble suchen, sagte er.
Auch der Chefarzt der forensischen Abteilung im Bezirkskrankenhaus, Herbert Steinböck, unterstrich die Dringlichkeit des Bauvorhabens. Die gegenwärtige Überbelegung sei nicht vertretbar. Er sah seine Patienten in einer „Art Geiselhaft“ der Gemeinde, die ihre Zustimmung nur unter bestimmten baurechtlichen Bedingungen geben wolle.
Dworzak sah das hingegen genau anders herum. „Wir sollen alles, was wir uns städtebaulich erarbeitet haben, über Bord werfen, weil Sie sagen, das Geld geht aus“, und dass vielleicht alles noch schlimmer kommen werde. Er betonte die Verantwortung des Gemeinderats. Falls der Neubau genehmigt werde, müsste man dort aufgrund des Baurechts anderen, ähnlich großen Bauvorhaben ebenfalls zustimmen.
Der Gemeinderat war nicht gewillt, sich seinen Trumpf – die dominante Rolle im baurechtlichen Genehmigungsverfahren – ohne Gegenleistung (also konkrete Zusagen zur Zahl der Forensik-Patienten und zum Gesamtkonzept) entwinden zu lassen. Dietrich Keymer (CSU) sprach davon, einen Bebauungsplan aufzustellen. Damit könnte eine Nutzungsänderung, von allgemeiner Psychiatrie zur Forensik, ausgeschlossen werden.
aus der Süddeutschen Zeitung vom 24.07.2003
Bau ohne Gefängnismauer
Konzept mit zwölf Innenhöfen stößt auf Zustimmung
Haar - Der Forensik-Neubau,
den der Bezirk Oberbayern als Träger auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses
anstrebt, kommt ohne Gefängnismauer aus. Das haben die Architekten durch ein
Konzept erreicht, das die Anlage in zwölf gleich große Innenhöfe gliedert.
Jede der sechs Stationen mit
jeweils 20 Patienten hat zwei Höfe. Die Höhe von deren Boden bis zum Dach der
Gebäude erreicht die 7,5 Meter, die normalerweise Gefängnismauern haben und
die als unüberwindlich gilt. Hinzu kommen elektronische Sicherheitsvorkehrungen
und ein Zaun, der das gesamte Areal abschirmt.
Innerhalb der Stationen können
schwierige und weniger schwierige Fällen getrennt werden. Die verschiedenen Höfe
sollen auch in dieser Hinsicht den Pflegern die Arbeit erleichtern. Zudem sind
die Gänge so angelegt, dass jedes Zimmer von zwei Seiten erreicht werden kann.
Dies soll vermeiden, dass Pfleger in Krisensituationen in die Enge getrieben
werden können.
In der Mitte der Anlage ist
ein um ein halbes Geschoss abgesenkter Platz gedacht. Dort sind die Möglichkeiten
für Sport und Therapieeinrichtungen untergebracht. Er soll auch als Auffangfläche
für die Patienten im Falle eines Brandes dienen. Dem Gebäude vorgelagert ist
eine Sicherheitsschleuse, ihm benachbart ist ein Besucherareal.
Von der Konzeption her begrüßten
Haars Gemeinderäte den Entwurf. Mike Seckinger sprach von einer „bestechenden
Innenlogik“. Traudl Vater (SPD) unterstrich die Wichtigkeit von
Therapieeinrichtungen.
Bürgermeister Helmut Dworzak
(SPD) erinnerte aber auch daran, dass die Gemeinde nicht so sehr in möglichen
Ausbrechern eine Problem sehe, sondern in Freigängern späterer Therapiestufen.
pob
aus der Süddeutschen Zeitung vom 11.07.2003
Haus
für psychisch kranke Straftäter in Haar
Schwere
Bedenken gegen erste Baupläne - Von
Peter Oberstein
Gemeinderat
berät ausführlich am 22. Juli/Bezirk will Zahl der Forensikbetten
festschreiben
Haar
- Mittlerweile liegen der Gemeinde erste Pläne für den Neubau der Forensik
auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses Haar vor. Gegen sie äußerte Haars
Bürgermeister Helmut Dworzak (SPD) schwere Bedenken. „Rechtlich können wir
das so nicht umsetzen“, sagte er in der Sitzung des Bauausschusses am
Dienstagabend. Zudem habe sich der Bezirk bereit erklärt, die Zahl der
Forensikbetten verbindlich festzuschreiben, hieß es.
Die
Forensik und die Zahl der Betten für psychisch kranke Straftäter sind seit
Jahren in der Diskussion. Die Staatsregierung möchte einen Neubau errichten.
Prinzipiell ist die Kommune Haar nicht dagegen. Nur scheinen die vorgelegten
Plänen nicht ihren Vorstellungen zu entsprechen.
Arbeitskreis
informiert sich
Nun
soll ein Termin mit dem Planungsbeauftragten der Gemeinde für das Gebiet des
Bezirkskrankenhauses und dem Architekt des Forensik-Neubaus stattfinden. Zu
diesem Gespräch und weiteren Schritten soll der Arbeitskreis des Gemeinderats
hinzugezogen werden, der sich mit den Belangen des Krankenhauses beschäftigt,
kündigte Helmut Dworzak an.
Außerdem
soll in der nächsten Sitzung der Gemeinderats am Dienstag, 22. Juli, dem
Thema Forensik-Neubau viel Raum gewährt werden, hieß es weiter. Dworzak
kritisierte vor allem die knappen Terminvorgaben. „Ich bedauere sehr, dass
nicht mehr Zeit zum Diskutieren ist. Ein so zentrales Projekt soll man nicht
in zwei Wochen über die Bühne bringen wollen.“
Eine
zunächst positive Nachricht hatte der Bürgermeister für den Ausschuss
dennoch parat. Gespräche mit dem Bezirkstagspräsidenten Franz Jungwirth
(CSU) hätten ergeben, dass sich der Bezirk grundsätzlich zu einem Vertrag
bereit erklären würde, der die Zahl der Forensikbetten festschreibt.
Allerdings bezweifelte Bürgermeister Helmut Dworzak stark, dass sich das
bayerische Sozialministerium darauf einlassen werde.
340
Patienten
Die
Gemeinde Haar kritisiert seit langem einen Ausbau der Forensik bei einem
gleichzeitigen Abbau von Betten in den übrigen Therapiebereichen. Sie möchte
die Zahl der Forensikbetten einfrieren und will möglichst viele Bereiche der
Klinik gut ausgestattet erhalten. Derzeit sind zirka 340 psychisch kranke
Straftäter im Bezirkskrankenhaus Haar untergebracht.
aus Münchner Merkur vom 03.07.2003
Trotz
Neubaus nicht mehr Forensik-Patienten
Diskussion
um Straftäter im BKH
Haar
(erl) - Die Gemeinde, Bezirk und Bezirkskrankenhaus Haar stehen in Sachen
Forensik auf einer Seite, betonte Bürgermeister Helmut Dworzak beim runden
Tisch nach dem Besuch von Innenminister Otto Schily (wir berichteten): Alle
streben eine Regelung an, in der die Pflicht zur Aufnahme straffällig
gewordener Patienten aufgehoben wird. Ebenso wollen alle Beteiligten die
Verweildauer der Forensikpatienten verkürzen. Neue Forensik-Standorte zu finden
habe ohnehin erste Priorität.
Doch Bezirkstagspräsident Franz Jungwirth
(CSU) konnte hierzu kaum Positives vermelden: Zum einen haben sich die
Verweildauern aufgrund gesetzlicher Änderungen in den letzten vier Jahren von
durchschnittlichen 4,5 auf 6,5 Jahre erhöht. Als Entlastung für die Haarer
Forensik, die aufgrund der gesetzlichen Aufnahmepflicht momentan mehr Patienten
als die vereinbarten 298 Planbetten beherbergen muss, konnten die Standorte
Straubing, Garbersee und Taufkirchen/Vils ausgebaut werden. "Alle weiteren
Versuche darüber hinaus, in anderen Landkreisen Forensiken zu errichten, enden
eigentlich immer schon im ersten Gespräch mit dem Hinweis seitens der Gemeinde-
und Stadtverwaltungen: Das wird einen Bürgerentscheid geben", berichtet
Jungwirth. Der Bezirk plant jetzt einen Forensik-Neubau auf dem Gelände des
Haarer Krankenhauses - allerdings sollen die 120 Betten des Neubaus nicht zusätzlich,
sondern als Ersatz für das veraltete Haus 21 gelten.
Dworzak befürchtet trotzdem eine erneute
Erweiterung der Forensik in Haar. Nicht nur hier hätte sich die Relation
zwischen Allgemeinpsychiatrie und Forensik verschoben, das sei bundesweit zu
beobachten versicherte Forensikleiter Dr. Herbert Steinböck. Außerdem appellierte der Forensikleiter an die Politiker: Es sei ein Grundfehler, davon
auszugehen, dass bei Wachstum der Forensikabteilung die Klinik gleichzeitig ein
schlechtes Image bekomme. Dworzak versicherte, dass die Gemeinde nie eine
Sicherheitsdebatte in Sachen Forensik geführt habe, das sei definitiv nicht das
Problem. "Der Bezirk sollte im BKH mehr positive Gegenakzente setzen, wie
er es zum Beispiel mit der Renovierung des Kleinen Theaters getan hat."
aus Münchner Merkur vom 02.07.2003
Hautnaher
Kontakt mit Problemen in der Forensik
Schily
besucht Bezirkskrankenhaus
Haar
(erl) - Schwer fiel die dicke Stahltür der so genannten "Burg" hinter
Otto Schily ins Schloss zurück: Der Bundesinnenminister war ins
Bezirkskrankenhaus Haar (BKH) gekommen, um sich einen Eindruck über die
Forensik zu machen. Schily durchschritt die engen Gänge der beiden
Hochsicherheitstrakte, in denen psychisch- oder/und suchtkranke Schwerverbrecher
untergebracht sind, begleitet vom SPD-Landtagsabgeordneten Peter-Paul Gantzer,
der SPD-Bezirkstagskandidatin Johanna Hagn, Haars Bürgermeister Helmut Dworzak,
Bezirkstagspräsident Franz Jungwirth (CSU), Klinikdirektor Martin Spuckti,
Forensikleiter Dr. Herbert Steinböck und Forensik-Bereichspflegedienstleiter
Hans Mühlbauer. Der prominente Besucher wurde von einer Sicherheitsschleuse zur
nächsten gebracht, grüßte die angesichts des prominenten Besuchers überraschten
Patienten und erkundigte sich über therapeutische Erfolgsbilanzen.
Während Schily einen Blick in die Zellen warf,
das Besucherzimmer mit den klassischen Trennscheiben begutachtete und sogar den
Autogrammwunsch eines Forensikpatienten erfüllte, berichteten seine Begleiter
über die Probleme der Haarer Forensik: Aufnahmepflicht trotz Platzmangels und
die nahezu hoffnungslose Suche nach einem neuen Forensikstandort in Oberbayern.
Mit diesem Eindruck verabschiedete sich der
unter Zeitdruck stehende Schily, während sich die übrigen Teilnehmer zu einem
Gespräch am runden Tisch versammelten (weiterer Bericht folgt). "Es ist
wichtig, dass man auch auf Berliner Ebene mitbekommt, welche Probleme der
Gesetzgeber verursacht", sagt Dworzak.
aus der Süddeutschen Zeitung vom 02.07.2003
Stippvisite
des Bundesinnenministers im BKH
Forensik
in Haar soll entlastet werden
Bezirkstagspräsident
Jungwirth will Bettenzahl an anderen Standorten erhöhen
Von
Kathrin Daum
Haar
- Für eine kurze Stippvisite hat Bundesinnenminister Otto Schily am Montagabend
das Bezirkskrankenhaus (BKH) Haar besucht. Zusammen mit Bezirkstagspräsident
Franz Jungwirth, dem Landtagsabgeordneten Peter Paul Gantzer, Bürgermeister
Helmut Dworzak, Krankenhausdirektor Martin Spuckti und Kreisrätin Johanna Hagn
ließ sich der Minister auf einem Rundgang die Forensik des Krankenhauses
zeigen.
„Einen
Eindruck gewonnen“, habe er, sagte der Minister am Ende seines Besuchs in der
so genannten „Burg“, dem Haus 21E, und dem vor fünf Jahren renovierten Haus
22. Wegen Termindrucks verabschiedete sich Schily zeitig und überließ es den
verbleibenden Politikern und Ärzten über die Zukunft der Forensik im
Allgemeinen und speziell am Standort Haar zu diskutieren. „Die Bettenzahl ist
mittlerweile auf 350 gestiegen, die Gemeinde kann das nicht mehr begrüßen“,
sagte Bürgermeister Dworzak. Niemand könne garantieren, dass sich dieser
Aufwärtstrend nicht weiter fortsetze, „die Forensik ist immer mit einem
gewissen Image verbunden, wenn etwas passiert, steht Haar in den
Schlagzeilen“. Eine Entspannung bei dem immer größer werdenden
Patientenaufkommen will Bezirkstagspräsident Jungwirth mit der Einrichtung
neuer Standorte erreichen. So würden die Forensikbetten in Gabersee,
Taufkirchen und Straubing erhöht, dorthin würden dann auch Patienten aus Haar
überwiesen. „Alle weiteren Versuche Standorte zu finden sind gescheitert“,
sagte Jungwirth, „kein Landkreis ist bereit, eine Forensik auf zu nehmen“.
Den
oft zu hörenden Vorwurf, Forensik ist gleich Gefahr für die Bevölkerung, wies
der Chefarzt der forensischen Abteilung, Herbert Steinböck, zurück: „Im
Moment haben wir doppelt so viele Patienten wie vor zehn Jahren, aber nur ein
Drittel der Entweichungen wie vor zehn Jahren“. Eine Konsolidierung der
Situation will Krankenhauschef Martin Spuckti mit einem Neubau für die Forensik
im BKH bewirken. Die genauen Pläne für den neuen Komplex sollen dem
Gemeinderat aber erst Mitte Juli vorgestellt werden. Dass die Straftaten in Haar
nachweislich nicht durch das BKH gestiegen seien, daran erinnerte Peter Paul
Gantzer. „Es ist auch die Aufgabe der Politik, der Bevölkerung die Ängste zu
nehmen.“ Bürgermeister Dworzak betonte, nur mit positiven Gegenbeispielen wie
der Sanierung des Kleinen Theaters sei es möglich, einen Imagewechsel zu
erreichen.
aus Münchner Merkur vom 11.02.2003:
Nervenklinik braucht mehr
Betten
Ambulanz öffnet am 1. April
- VON CHRISTINE CLESS-WESLE
Gauting - "Unsere
kühnsten Erwartungen wurden übertroffen." Dr. Wolfgang Frank, Chefarzt
der Gautinger Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, zieht eine
positive Bilanz. Bereits ein Jahr nach dem Umzug ins sanierte Gebäude auf dem
Asklepiosklinik-Gelände ist das psychiatrische Akutkrankenhaus mit
Vollversorgung für den Landkreises Starnberg "zu 103 Prozent"
ausgelastet. Frank hat beim bayerischen Sozialministerium eine Expansion um 20
weitere Betten beantragt.
Am 1. April wird die
Gautinger Nervenklinik eine sogenannte "Instituts-Ambulanz" eröffnen,
sagte der Chefarzt gestern im Gespräch mit dieser Zeitung. Das
Bundes-Gesundheitsministerium propagiere solche Anlaufstellen, in der Patienten
vor und nach dem stationären Aufenthalt "aufgefangen" werden. Der
Gautinger Klinikchef betonte, dass dieser neue Service keineswegs in Konkurrenz
stehe zu den niedergelassenen Fachärzten. Ergänzend dazu sollen Notfälle in
den Instituts-Ambulanzen rund um die Uhr behandelt werden - auch nachts und an
Wochenenden.
Sechs bis acht Wochen warten
Patienten derzeit auf eines der 80 Betten (plus zehn Tagesklinikplätze), wenn
keine Selbst- oder Fremdgefährdung oder ein richterlicher
Unterbringungsbeschluss vorliegt, bedauert Frank. Die beiden Geschäftsführer
des Gautinger Akutkrankenhauses, neben dem Chefarzt Verwaltungsleiter Helmut
Kreiner, wollen deshalb um 20 Betten erweitern. Wohnortnahe Vollversorgung,
argumentiert der Mediziner, ende nicht an der Landkreisgrenze. Schließlich könne
Gauting Patienten aus Germering, Fürstenried, München West und den übrigen Würmtalgemeinden
nicht 70 Kilometer weiter ins Bezirkskrankenhaus Haar schicken, nur weil die
Orte außerhalb der Kreisgrenze liegen.
Seit die ehemalige
Schmidt-Klinik am neuen Standort zum Akutkrankenhaus mit Vollversorgung
ausgebaut wurde, so Frank, sank die Patientenverweildauer "wegen der
besseren Leistungsfähigkeit und des hohen Zuweisungsdrucks" von 32 auf 29
Tage. Kooperationen pflegt die Gautinger Nervenklinik derzeit mit der
Asklepios-Fachklinik, mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst (SPDI) Starnberg und
Selbsthilfegruppen. Einen dringenden Bedarf gebe es an Betreuten Wohngruppen für
Patienten nach ihrer Entlassung: Der Chefarzt hofft auf eine entsprechende
Einrichtung in den leer stehenden Gebäuden der ehemaligen Schmidt-Klinik an der
Bergstraße.
aus Münchner Merkur vom 31.01.2002
Gewerbe wird mit Wohnen
verknüpft
Gemeinderäte genehmigen
Architekten-Entwurf für Eglfinger Neubaugebiet
Haar (erl) - Rund 1100
Quadratmeter groß wird der Lebensmittelmarkt sein, der im Neubaugebiet Eglfing
entstehen soll. Den Entwurf für das Gebäude und das anschließende Gelände
stellte Architekt Gert Goergens in der jüngsten Gemeinderatssitzung vor. Und
die Gemeinderäte haben sich mehrheitlich für seine Vorschläge ausgesprochen.
Goergens legte eine
Planstudie für einen Markt an der Ecke Annelies-Kupper-Allee und Leibstraße
vor. Er stellt sich einen Vollsortimenter mit einer Ladengröße von 1100 bis
1200 Quadratmeter vor. Der aber soll - laut Vorgabe des Bauausschusses - jedoch
nicht wie üblich als Flachbau mit großem Parkplatz. Stattdessen ist ein zweistöckiges
Walmdachgebäude angedacht, in dem über dem Laden sowohl Büros als auch
Wohnungen Platz finden könnten. Die Mischung zwischen Gewerbe und Wohnung soll
verstärkt werden, indem direkt hinter dem Supermarkt über einen ruhigen
Innenhof verbunden ein weiterer Wohnblock als Riegel entsteht. Es wäre auch
denkbar, dass in dem dritten geplanten Riegel entlang der Annelies-Kupper-Allee
einige Fachgeschäfte Platz finden. Die Parkplätze des Marktes sollen zum einen
Teil vor dem Gebäude (50 Stellplätze) und zum anderen Teil in einem überdachten
Parkdeck hinter dem Markt (60 Stellplätze) angeordnet werden.
Das Konzept warf trotz
allgemeiner Zustimmung viele Fragen auf: CSU-Fraktionsvorsitzende Susanne Böhm
befürchtet mit dem neuen Markt eine Konkurrenz für die Geschäfte der Leibstraße.
Theresa Heil (CSU) plädiert deshalb dafür, in Eglfing nur einen kleineren
Supermarkt und keinen Vollsortimenter zu errichten. Bürgermeister Helmut
Dworzak (SPD) sieht hier jedoch eher eine Fortsetzung der Leibstraße und eine
Unterstützung der bestehenden Fachgeschäfte. Einig ist man sich, auf weitere
Fachgeschäfte im Dunstkreis des Supermarktes zu verzichten. Dworzak: Markt
bringt Geschäften Zulauf Mike Seckinger (Grüne) macht sich Sorgen um das
Verkehrsaufkommen. Da hier jedoch eine reine Ortsversorgung entstehen und sich
keine überregionale Publikumsmagneten wie Lidl oder Aldi ansiedeln sollen,
rechnet Dworzak zwar mit leicht erhöhtem Verkehrsaufkommen, aber dafür mit
einer Entzerrung des Haarer Einkaufsverkehrs an anderen Stellen. Dietrich Keymer
(CSU) empfahl dem Gemeinderat schließlich dringend eine Studie, die vom
passenden Standort bis hin zum ausreichenden Einzugsgebiet alle wichtigen
Komponenten für den Markt umfasst. "Ich habe täglich die Betreiber im
Rathaus stehen, die teilweise sofort 15-Jahres-Verträge für einen
Vollsortimenter an dieser Stelle abschließen wollen. Diese Unternehmer haben
sicher ihre Studien gemacht", sagte Dworzak. Der
Markt wird am Rande eines neuen Wohngebiets mit 2500
Einwohnern, einem Gewerbegebiet mit 4000 Arbeitsplätzen
und direkt gegenüber dem Bezirkskrankenhaus entstehen.
Die Gemeinderäte haben schließlich das Konzept des Architekten mehrheitlich angenommen. Bürgermeister Dworzak wird nun mit dem Besitzer des Grundstücks, dem Bezirk Oberbayern, verhandeln.
MM vom 09.12.2002 - Bayern:
Mauerblümchen-Dasein
trotz Reformdebatte
Mit Landtag wird auch
Bezirkstag gewählt
VON DIRK WALTER München -
Ein Etat von mehr als zwei Milliarden Euro, 48 Einrichtungen und rund 5500 Beschäftigte
- trotz dieser imposanten Zahlen fristet der Bezirkstag in Oberbayern ein
Mauerblümchen-Dasein. Daran wird sich bis zu den Neuwahlen - zeitgleich mit der
Landtagswahl 2003 - nicht viel ändern: Die nach den "Lustreisen-Affären"
angestoßene Reformdebatte ist verebbt, obwohl sie Experten immer wieder
anmahnen.
Bei einer Landtags-Anhörung im Jahr 2001 stand Prof. Manfred Miosga, von der TU München beigezogener Sachverständiger, allein auf weiter Flur. Der Experte forderte eine "umfassende Reform der dritten Ebene" mit dem Ziel, den Bezirken einen "Bedeutungsgewinn" zu verschaffen. Unter anderem könnte bei den Bezirken die Planungskompetenz und Trägerschaft für den öffentlichen Nahverkehr angesiedelt werden, sagte Miosga damals. Andere Sachverständige wie etwa Gerhard Engel vom Bayerischen Jugendring forderten kleine Reformen wie etwa eine Direktwahl des Bezirkstags-Präsidenten - er wird bislang aus dem Gremium selber gewählt.
Popmusik-Beauftragter
Doch von solchen Vorschlägen will Bezirkstags-Präsident Franz Jungwirth (CSU) heute nicht mehr viel hören. "Ich bin zufrieden mit dem Umfang der Aufgaben", sagt Jungwirth, und erklärt die Reformdebatte für "beendet". Die Landtags-Anhörung habe gezeigt, so der Freisinger, dass "man die Bezirke erfinden müsste, wenn es sie nicht schon gäbe". Unter anderem im kulturellen Bereich erfülle der Bezirk eine wichtige Aufgabe: Mit der Pflege von Heimat und Brauchtum gebe er den von Globalisierung und zwingend hoher Mobilität geplagten Menschen ein "Kontrastprogramm". Für die Zukunft will Jungwirth die Kulturarbeit modernisieren: mit einem vom Bezirk bezahlten Popmusik-Beauftragten.
Reformfreudiger zeigen sich SPD und Grüne. Peter Falk, Chef der SPD-Bezirkstagsfraktion, will an der Forderung einer Zusammenlegung der (dem Innenministerium unterstehenden) Regierung von Oberbayern und des Bezirks festhalten. Ein großes "Regionalparlament" schwebt dem Sozialdemokraten vor. Große Chancen für den schon in der Vergangenheit vorgetragenen Vorschlag rechnet er sich nicht aus - er ist nicht mehrheitsfähig.
Auch Verbände wie etwa der Städtetag haben genau diesen Vorschlag als nicht praktikabel abgelehnt. Der "platten Auflösungsforderung" indes kann Falk nichts abgewinnen, das Thema der Bezirke-Reform tauge auch nicht für einen Volksentscheid. Also "setzen wir auf kontinuierliche Sacharbeit", sagt Falk.
Am ehesten aufgeschlossen für die Abschaffung der Bezirke - die Forderung hat zuletzt wieder der Bund der Steuerzahler zum Thema gemacht - zeigen sich die Grünen. Vereinzelt treten in ihren Reihen Kandidaten nur mit dem Ziel an, die Auflösung der Organisation zu erreichen, zum Beispiel die Grünen-Kreisrätin Annette Louis in Fürstenfeldbruck. Wichtige Aufgaben wie etwa die psychiatrische Versorgung könnten Land oder Landkreise übernehmen.
Allerdings hat die Grünen-Fraktion bei der Landtags-Anhörung derartigen Radikal-Kuren schon einen Riegel vorgeschoben: "Vorschnelle Forderungen nach vollständiger Abschaffung der dritten kommunalen Ebene können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht mittragen - auch nicht, wenn sie aus der eigenen Partei kommen", erklärten die Bezirksräte Sepp Daxenberger und Martina Neubauer damals.
aus Münchner Merkur vom 29.11.2002
Gemeinde
nimmt Bezirk in die Pflicht
Haar
will Entwicklungskonzept für BKH
Haar
(erl) - Die Gemeinde Haar fordert vom Bezirk Oberbayern ein schriftliches
Konzept, das die Perspektiven und Entwicklungen des Bezirkskrankenhauses (BKH)
Haar aufzeigt. Grund für die Forderung, die bei der vergangenen
Gemeinderatssitzung einstimmig beschlossen wurde, ist der Plan des Bezirks, im
Krankenhausgelände ein neues Gebäude für die Forensik zu bauen.
"Wir würden die Verbesserung der
therapeutischen Situation für die Forensikpatienten durch den Platzgewinn natürlich
begrüßen, bezweifeln aber, dass dann die Zusage von dem Maximum von 300
Forensikpatienten gehalten werden kann", erklärte Haars Bürgermeister
Helmut Dworzak (SPD). Schon heute seien 350 psychisch kranke beziehungsweise
suchtkranke Rechtsbrecher im Maßregelvollzug im BKH untergebracht. Das sind
laut Dworzak bereits 30 Prozent der Gesamtpatienten.
Und die Tendenz ist steigend: Durch die
Dezentralisierung aller anderen psychiatrischen Abteilungen und den damit
einhergehenden Bettenabbau, verstärkt sich das Ungleichgewicht zwischen Straftätern
und anderen Patienten. "Wir wollen keine negative Schiene zwischen der
Gemeinde und dem Krankenhaus fahren. Im Gegenteil: Wir wollen mit unserem
Protest das angesehene Krankenhaus fördern und stärken", sagte Dworzak.
"Wir leben gut mit der Psychiatrie, trotz
mancher negativen Schlagzeile, die so ein Krankenhaus eben manchmal mit sich
bringt. Doch wir wollen nicht, dass die Gemeinde Haar durch eine einzige
Disziplin der Psychiatrie negativ behaftet wird", bestätigte auch
CSU-Gemeinderat Dietrich Keymer.
Susanne Böhm (CSU) empfahl, im Brief noch
einmal ausdrücklich zu betonen, dass die Suche nach Ersatzstandorten für die
Forensik oberste Priorität beim Bezirk haben müsse.
Bald wird der Bezirk an die Gemeinde Haar mit
baurechtlichen Anfragen bezüglich eines neuen Forensikgebäudes herantreten -
doch der Gegenwind wird sich wohl rau anfühlen: Die Tendenz bei der
Gemeinderatsdiskussion lief eindeutig in die Richtung, dass die Gemeinde bei der
momentanen Lage und ohne ein Gesamtkonzept für das Krankenhaus alle Register
ziehen wird, um diesen Neubau zu verhindern.